McDermid, Val
eine vage Handbewegung zum Fenster
hin. »Das ist mein Platz. Ich bin der Besitzer.«
»Sind Sie schon lange hier?«,
fragte Sam. »Seit 1987. Früher war ich Drucker, unten in Manchester. Als wir alle arbeitslos wurden,
hab ich mein Geld in diesen Platz gesteckt. Hab es nie bereut. Es ist ein
fabelhaftes Leben.« Er klang aufrichtig, was Sam verblüffte. Er konnte sich
kaum eine langweiligere Tätigkeit vorstellen.
»Das freut mich zu hören«,
meinte er. »Weil - die Person, nach der ich Sie fragen muss, lebte hier vor
vierzehn, fünfzehn Jahren.«
Carson wurde munter. »Das
liegt aber wirklich ne Weile zurück. Da werd ich in den Büchern nachsehen
müssen.« Er drehte sich um und zeigte auf eine Tür hinter sich. »Alle Akten
habe ich dort hinten. Sonst brauche ich sie ja nicht. Ich bilde mir was drauf
ein, meine Pächter zu kennen. Nicht unbedingt die Feriengäste, aber die, die
ihre Wagen permanent hier stehen haben, die kenn ich alle. Was ist passiert,
dass Sie jemanden suchen, der vor so langer Zeit hier war?« Sam setzte ein
träges, bedauerndes Lächeln auf, eins von der Sorte, das die Leute meistens für
ihn einnahm. »Tut mir leid, über die Einzelheiten darf ich nicht sprechen. Sie
wissen ja, wie das ist.«
»Oh.« Carson war enttäuscht.
»Na ja, wenn Sie nicht dürfen, dann dürfen Sie nicht. Also, wie heißt diese
Person, an der Sie interessiert sind?«
»Harry Sim.«
Carsons Gesicht hellte sich
auf. »Oh, ich erinnere mich an Harry Sim. Er fiel hier auf wie ein bunter Hund.
Die meisten unserer Pächter sind älter. Rentner. Oder junge Familien. Aber
Harry war ungewöhnlich. Ein lediger Mann, Mitte dreißig muss er gewesen sein.
Er blieb immer für sich. Nie kam er zu Grillabenden oder zum Karaoke oder so
etwas. Und sein Standplatz war ganz hinten. Er hatte keine gute Aussicht, aber
dafür Ruhe und Abgeschiedenheit. Die Plätze da unten sind immer am schwersten
zu vermieten, weil man dort keine Sicht auf die Bucht hat.« Er warf Sam ein
unbeholfenes Lächeln zu.
»Bei einem Namen wie unserem,
da erwarten die Leute das. Eine Aussicht auf die Bucht.«
»Kann ich mir vorstellen«,
meinte Sam. »Sie sagten, er lebte allein. Ich nehme an, dass Sie sich nicht
erinnern, ob er viel Besuch bekam?«
Carson schien plötzlich
niedergeschlagen. »Nicht, dass ich mich nicht erinnern würde«, antwortete er.
»Es ist nur so, dass ich keine Ahnung habe. Wo er stand, da unten am Ende, na
ja, da kann man nicht sehen, ob ihn Leute besuchten oder nicht. Und im Sommer,
ich weiß, es ist schwer zu glauben, so wie es heute aussieht, aber da ist
schwer was los da draußen. Es ist unmöglich, über die Besucher von irgendeinem
Einzelnen die Übersicht zu behalten, außer wenn sie gleich hier draußen sind,
wo ich sie durchs Fenster sehen kann.«
»Das ist nachvollziehbar.
Hatten Sie viel mit ihm zu tun?« Carson versank noch tiefer in Trübsinn. »Nein.
Als er den Platz mietete, da haben wir natürlich miteinander gesprochen, um uns
zu einigen. Aber das war's schon so ziemlich. Er kam nie rein, um sich zu
unterhalten, nur wenn es ein Problem gab, und da wir hier stolz darauf sind,
dass es keine Probleme gibt, sahen wir ihn überhaupt nicht oft.« Sam tat der
Mann fast leid, offensichtlich wollte er unbedingt helfen, hatte aber so wenig
zu bieten. »Wie lange hat er hier gewohnt?«
Carsons Miene heiterte sich
wieder auf. »Also, das kann ich Ihnen sagen. Aber um genau zu sein, muss ich in
meinen Unterlagen nachsehen.« Er war auf dem Weg zu seinem Hinterzimmer schon
halb durch die Tür. Sam sah eine Reihe von Aktenschränken, dann hörte er, wie
eine Schublade geöffnet und wieder geschlossen wurde. Augenblicke später kam Carson
wieder mit einer dünnen Hängemappe heraus. »Da haben wir's«, sagte er und legte
sie auf den Tresen. Auf der Akte klebte ein Etikett mit der Aufschrift 127/Sim.
»Da haben Sie aber ein gutes
System«, schmeichelte Sam. »Ich bin stolz darauf, genaue Buchhaltung zu führen.
Man weiß ja nie, wann jemand wie Sie Informationen braucht.« Carson öffnete die
Mappe. »Hier ist es. Harry Sim schloss im April 1995 einen einjährigen Pachtvertrag
ab.« Er studierte die Seite. »Er erneuerte den Vertrag nicht, er hatte den
Standplatz nur für das eine Jahr.«
»Hat er irgendetwas hinterlassen?
Unterlagen, Kleidung?« Die Überreste eines Lebens, das von einem anderen
ausgelöscht wurde?
»Es gibt keine Notiz über so
etwas. Und es gäbe eine, wenn er den Wohnwagen nicht aufgeräumt hätte,
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