McDermid, Val
lautenden Abschnitten:
Das folgende Täterprofil ist
nur zur Orientierung gedacht und sollte nicht als präzises Porträt betrachtet
werden. Es ist unwahrscheinlich, dass der Täter in allen Einzelheiten dem
Profil entspricht, obwohl ich eine hohe Übereinstimmung zwischen den unten
aufgeführ ten
Charakteristika und der Realität erwarte. Alle Aussagen dieser Profilanalyse
sind Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten, nicht erhärtete Tatsachen. Ein
Serienmörder hinterlässt Spuren und Hinweise, wenn er seine Taten begeht.
Bewusst oder unbewusst ist alles, was er tut, als Teil eines Musters angelegt. Kann
man die zugrunde liegenden Muster aufdecken, entschlüsselt man die Logik des
Mörders. Uns mögen sie nicht logisch erscheinen, aber für ihn sind sie ausschlaggebend.
Weil seine Logik so eigenwillig ist, kann man ihn nicht mit einfachen Tricks
fassen. Da er einzigartig ist, müssen es auch die Mittel sein, mit denen man
ihn ergreift, verhört und seine Taten rekonstruiert.
Er las es noch einmal durch
und löschte dann den zweiten Absatz. Soweit sie wussten, war dieser Mörder noch
kein Serientäter. Wenn Tony Ambrose und Patterson bei ihrer Arbeit helfen
konnte, kam der Täter vielleicht nicht auf die entscheidende Zahl »drei plus«,
die ihn offiziell zu einem Serienmörder machte. In Tonys Welt galt das als Happy
End. Andererseits würde sich die Zahl erhöhen, wenn sie keinen Erfolg hatten.
Es war alles eine Frage der Zeit. Zeit und Geschick. Nur weil sie mit seiner
ersten Tat befasst waren, hieß das nicht, dass er kein Serienmörder war. Mit
einem Seufzer stellte Tony den Abschnitt wieder her und fuhr dann fort. Seine
Finger flogen über die Tasten, während er die Schlussfolgerungen, die er schon
mit Ambrose am Fundort und dann im Wagen durchgespielt hatte, in allen
Einzelheiten darstellte. Er hielt inne, um nachzudenken, stand dann auf und sah
sich in der Küche um. Er fand Pulverkaffee und Kaffeeweißer in Schraubgläsern,
und als er den Hahn aufdrehte, floss tatsächlich Wasser heraus. Vorsichtig
probierte er es und befand, dass man es trinken könne. Während er wartete, dass
das Wasser kochte, suchte er einen Becher und einen Löffel. In der zweiten Schublade, die
er herauszog, war Besteck. Als er hineingriff, um einen Kaffeelöffel zu
nehmen, blieb sein Daumen an etwas hängen. Er schaute genauer hin und fand
einen dicken weißen Umschlag von der Größe einer Postkarte. Als er ihn
umdrehte, war er schockiert, auf der Vorderseite in sauberen Druckbuchstaben
seinen Namen zu entdecken. Dr. Tony Hill hatte Arthur auf einen Umschlag geschrieben und ihn in
die Besteckschublade seines Bootes gelegt. Tony begriff es nicht. Warum sollte
jemand so etwas tun? Wenn er wollte, dass Tony etwas bekam, warum es hier
hinterlegen, wo es so leicht übersehen werden konnte, und nicht beim
Rechtsanwalt? Und wollte Tony wirklich wissen, was der Umschlag enthielt? Er
betastete das Kuvert. Es war außer Papier noch etwas anderes darin. Etwas
Leichtes, aber Festes, vielleicht zehn auf vier Zentimeter, so dick wie eine
CD-Hülle. Er legte den Umschlag beiseite, während er seinen Kaffee
zubereitete, starrte ihn aber die ganze Zeit aus dem Augenwinkel an. Er nahm
den Kaffee und das Kuvert mit an den Tisch, wo er gearbeitet hatte, und
musterte den Umschlag verwundert. Was hatte Arthur auf so unsichere Weise
hinterlassen wollen? Und wie konnte er anhand des Umschlags herausbekommen, was
es war? Sicher gab es Dinge, die er über Arthur auf keinen Fall wissen wollte,
aber er war sich nicht im Klaren, was er tatsächlich gern erfahren würde.
Schließlich war seine Neugier
stärker als seine Zweifel. Er riss den Umschlag auf und ließ den Inhalt
herausgleiten. Es war ein Blatt im DIN -A4 -Format aus dem gleichen dicken Papier wie der
Umschlag. Und ein winziges digitales Diktiergerät, wie Tony dieser Tage selbst
eins nutzte, wenn er für seine Sekretärin Notizen über seine Patienten
aufsprach. Er stieß es mit einem Finger an, als erwarte er, dass es in Flammen
aufgehen werde. Stirnrunzelnd faltete er das Blatt auseinander. Im Briefkopf war in Kursivschrift
Arthur Blythes Name aufgeprägt. Tony holte tief Luft und begann, den Text in
der sauberen Handschrift zu lesen, die die ganze Seite ausfüllte.
Lieber Tony,
die Tatsache, dass du dies
liest, heißt, dass du dich entschlossen hast, dein Erbe nicht auszuschlagen.
Ich bin froh darüber. Als ich noch lebte, habe ich dich vernachlässigt. Das
kann ich nicht
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