McDermid, Val
Gemeinschaft von
Beratern, denen ihre Arbeitszeiten und die Standorte ihrer Auftraggeber viel
Flexibilität ermöglichen. Was die Persönlichkeit betrifft, suchen wir einen höchst
leistungsfähigen Psychopathen. Er kann mitmenschliche Interaktion nachahmen,
aber er kennt keine echte Empathie. Wahrscheinlich lebt er allein und hat keine
tiefen emotionalen Bindungen. Dies wird ihn in seiner Berufs gruppe kaum besonders
ungewöhnlich erscheinen lassen, da viele IT-Spezialisten ihm zu ähneln
scheinen, obwohl die meisten von ihnen durchaus fähig zu emotionaler
Interaktion sind. Sie ziehen nur ihre Rechner vor, weil das weniger anstrengend
ist.
Es ist gut möglich, dass er
von Computerspielen abhängig ist, besonders von gewalttätigen Online-Spielen,
an denen mehrere Spieler teilnehmen. Sie bieten ihm ein Ventil für seine
nihilistischen Gefühle gegenüber anderen Menschen.
Tony las das Geschriebene noch
einmal durch, jedoch ohne ein Gefühl der Befriedigung. Er fand, außer der
Betonung der Tatsache, dass es kein Sexualmord sei, war ihm nichts eingefallen,
das nicht entweder in den Lehrbüchern stand oder einfach auf den gesunden
Menschenverstand zurückging. Es ließ sich viel mehr über diesen Mörder
herleiten, dessen war er sicher. Aber bis jemand etwas zu der Verbindung
zwischen dem Killer und der Auswahl seines Opfers beitrug, tappten sie alle im
Dunkeln.
26
Nach der Tragödie von Jessica
Morrisons Tod war das Letzte, was Paula tun wollte, bei einem weiteren trauernden
Elternpaar zu sitzen. Noch schlimmer war, dass sie es allein tun musste. Was
immer sich auf höchster Ebene getan hatte, West Yorkshire hatte jedenfalls
klein beigegeben, so sehr, dass sie nichts mit Gesprächen mit den Hinterbliebenen
zu tun haben wollten. Kevin war damit beschäftigt, das Vorgehen zu planen,
damit sie alle Informationen aus West Yorkshire zusammentragen konnten. Und
sie musste hier nun tun, was sie am wenigsten mochte. Aber wenn sie eins aus
ihren eigenen Begegnungen mit dem Kummer gelernt hatte, dann, dass
Ausweichmanöver nie funktionierten. Der oft gehörte Spruch, man müsse sich
wieder aufrappeln, traf zu. Aber das hieß noch lange nicht, dass es deshalb
leichter wurde. Die Frau, die öffnete, sah aus, als stünde sie mit der Welt auf
Kriegsfuß. Ihre dunklen Augen waren zornig, ihr Teint war zu einem verbitterten
Gelb verblasst, ihr Mund verkniffen. »Wir geben keinen Kommentar«, schnauzte
sie barsch. »Ich bin keine Journalistin«, entgegnete Paula und tat ihr Bestes,
sich durch die Verwechslung nicht gekränkt zu fühlen. »Ich bin Detective
Constable Paula Mclntyre von der Polizei Bradfield.«
Die Hände der Frau fuhren an
ihre Wangen hoch. »Nein! Mein Gott! Sagen Sie bitte, Sie kommen nur
routinemäßig vorbei.« Sie taumelte rückwärts und wurde von einer zweiten Frau
aufgefangen, die hinter ihr erschienen war. Sie fielen sich in die Arme, und
die zweite, etwas größere Frau sah Paula mit einem Blick unverhüllten
Schreckens in die Augen. »Darf ich reinkommen?«, sagte Paula und fragte sich,
wo der psychologische Betreuungsdienst war.
Die Frauen wichen zurück, und
Paula schlüpfte hinein. »Sind Sie allein?«, erkundigte sie sich.
»Wir haben die Frau vom
Betreuungsdienst weggeschickt. Wir konnten uns nicht beruhigen in ihrer
Gegenwart. Ich bin Julia Viner«, erklärte die zweite Frau, die mit dieser
förmlichen Randbemerkung das aufschob, was, wie sie doch wissen musste,
unvermeidlich war. »Und das ist Kathy. Kathy Antwon.«
Kathy wendete sich zu Paula
um, Tränen strömten ihr übers Gesicht. »Sie haben schlechte Nachrichten, nicht
wahr?«
»Es tut mir leid«, sagte
Paula. »Eine Leiche wurde heute gefunden. Aus der Beschreibung der Kleidung
schließen wir, dass es Seth ist.« Sie öffnete den Mund, wusste aber nichts anderes
zu sagen und schwieg.
Julia schloss die Augen. »Das
habe ich erwartet«, stöhnte sie. »Seit uns klar war, dass er verschwunden ist.
Ich wusste, dass er nicht wiederkommt.«
Sie klammerten sich schweigend
aneinander, stundenlang, so schien es. Paula stand daneben, stumm wie ein
Fisch, und kam sich genauso nützlich vor, als wäre sie einer. Als klar wurde,
dass die beiden Frauen so bald nichts sagen würden, drückte sie sich an ihnen
vorbei und fand die Küche, wo sie Wasser aufsetzte. Früher oder später würde
Tee benötigt werden. So war es immer.
Auf der Arbeitsfläche stand
eine Teekanne. Jetzt musste sie nur noch den Tee finden. Paula öffnete
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