McDermid, Val
her mischte sich
eine neue Stimme in das Gespräch. »Fast mit Sicherheit«, erklärte Tony. »Aber
ihr müsst euch trotzdem so verhalten, als wärt ihr auf der Suche nach einem
lebendigen Jungen.«
Carol verdrehte die Augen.
»Dr. Hill«, stöhnte sie. »Perfektes Timing, wie immer.«
Er trat in den Raum. Sie
konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so gepflegt und schick gekleidet
gesehen zu haben. Es war, als wolle er Eindruck machen, etwas, was
normalerweise nie in sein Bewusstsein vordrang. »Zufällig hast du absolut
recht«, sagte er. Er ging an Tim Parker vorbei und nickte. »Tim. In der Praxis
sieht es ein bisschen anders aus, oder?« Kevin klopfte ihm im Vorbeigehen auf
die Schulter. Alle anderen folgten seinem Beispiel und berührten Tony, als
wäre er ein Talisman. Selbst Stacey streifte mit den Fingern seinen Ärmel.
»Willkommen zurück, Dr. Hill«, begrüßte sie ihn, förmlich wie immer.
»Nicht so voreilig, Stacey«,
meinte Tony. Er ging weiter in Carols Büro und überließ es ihr, ob sie ihm
folgen oder es ihm überlassen wollte. Und sie wusste nur allzu gut, dass er keinen
Respekt vor ihrer professionellen Zurückhaltung hatte. Der Fall wäre ihm
ausgeliefert, wenn sie es zuließ. Also folgte sie ihm und warf die Tür hinter
sich zu. »Was machst du hier?«, fragte sie mit dem Rücken zur Tür, damit Tim
Parker nicht ihr Gesicht sehen konnte, und verschränkte die Arme vor der
Brust.
»Ich bin gekommen, um zu
helfen«, antwortete Tony. »Und bevor du alles wiederholst, was du gestern
gesagt hast, hör dir bitte an, was ich dir zu sagen habe.«
Carol fuhr sich mit einer Hand
durchs Haar, trat von der Tür zurück, zog die Vorhänge zu und ging zu ihrem
Schreibtisch hinüber. »Hoffentlich hast du einen guten Grund, Tony. Ich weiß nicht,
wie viel du mitbekommen hast, aber ein weiterer Junge wird vermisst, und ich
sollte mich darauf konzentrieren, meinem Team dabei zu helfen, ihn nach Haus
zu bringen.«
Tony seufzte. »Das ist sehr
löblich, Carol. Aber wir wissen beide, dass ihr euch nicht zu beeilen braucht.
Der Junge ist bereits tot.«
Carol spürte, wie die Energie
sie verließ. Manchmal machte es einen wütend, mit Tony zu tun zu haben. Er
hatte die Fähigkeit, das, was man schon wusste, auf eine Art und Weise auszusprechen,
dass man das Gefühl hatte, die Verantwortung sei einem abgenommen. Aber im
Moment wollte sie sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen. Sie wollte
sauer sein, weil er nicht auf das hörte, was sie ihm gestern gesagt hatte.
»Warum bist du hier?«
»Na ja, ich bin indirekt
zuständig. Aufgrund der Tatsache, dass ich für die Abteilung arbeite, die das
erste Opfer dieses Mörders gefunden zu haben scheint.«
»Was?« Carol versuchte zu
verstehen, was er meinte. »Daniel Morrison ist nicht das erste Opfer.«
Jeder leitende Ermittler trug
eine bestimmte Furcht im Herzen. Weil es in Großbritannien keinen
Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Polizeieinheiten gab, barg
jeder Mord, der nicht mit häuslichen oder Beziehungsschwierigkeiten zu tun
hatte, die Möglichkeit, nicht die erste Tat des Mörders zu sein. Einige Jahre
zuvor hatten sich zwei Dutzend Bezirke wegen ihrer unaufgeklärten, ungefähr
zehn Jahre zurückliegenden Morde zusammengesetzt. Sie hatten Tony und andere
Profiler hinzugezogen, um zu sehen, ob es Gemeinsamkeiten gab. Sie kamen zu
der Schlussfolgerung, dass in Großbritannien mindestens drei Serienmörder ihr
Unwesen trieben. Drei bisher nicht als solche verdächtigte Serienmörder! Es
war ein Ergebnis, das alle aufgeschreckt hatte, die mit Tötungsdelikten zu tun
hatten. Wie Tony damals zu ihr gesagt hatte: »Der erste Mord ist möglicherweise
der informativste, weil der Täter ausprobiert, was für ihn funktioniert. Beim
nächsten Mal wird er seine Methode verfeinert haben. Er wird seine Sache besser
machen.«
Und jetzt sagte er ihr, dass
sie nicht einmal diesen Vorteil hatte. Sie wollte ihn herausfordern. Und
vielleicht konnte sie das auch. Aber im Moment brauchte sie erst einmal
Antworten. »Wer ist der erste? Wo ist er? Wann hast du an dem Fall gearbeitet?«
»Ich arbeite gegenwärtig
daran, Carol. Es ist Jennifer Maidment.«
Sie starrte ihn verblüfft eine
ganze Weile an. »Ich glaube dir nicht«, sagte sie schließlich. »Brauchst du das
wirklich so dringend? Geht es um Tim Parker? Ich habe dich nie als einen Mann gesehen,
der ständig berufliche Anerkennung braucht.« Tony legte die Hände vors Gesicht
und rieb sich die
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