McDermid, Val
Alan Turing
ist, oder? Der Typ, der den Enigma-Code geknackt und gewissermaßen den modernen
Computer erfunden hat.«
»Der sich umbrachte, weil er
wegen seiner Homosexualität verfolgt wurde«, fügte Paula hinzu. »Falls du den
Teil vergessen hattest.«
Kevin stöhnte. »Nicht mal die
Chefin war damals schon im Dienst, Paula. Was war mit Alan Turing, Stacey?«
»Es gibt ein berühmtes Bild
von ihm als junger Mann, noch als Student, glaube ich, wie er als Läufer an
einer Leichtathletikveranstaltung teilnimmt. Jedenfalls hat JJ den Kopf herausgeschnitten,
ein bisschen retuschiert und das als sein Foto auf seiner persönlichen Seite
verwendet. Ich weiß nicht genau, was das zu bedeuten hat, aber es ist doch kein
Zufall, oder?« Bei so etwas brauchen wir Tony, dachte Paula. Sie konnten Vermutungen anstellen und
Hypothesen formulieren, aber sie konnten sie nicht gegeneinander abwägen.
»Glauben wir also, dass JJ schwul ist?«, fragte sie.
»Oder ein Computerfreak«,
überlegte Sam. »Was meinst du, Stacey?«
»Na ja, Turing ist schon so
etwas wie ein Held für Computerfreaks«, antwortete sie. »Aber es könnte auch
einfach eine Finte sein. Wenn er so schlau ist.«
»Sind wir mit Daniel
weitergekommen?«, erkundigte sich Carol. »Ich weiß, dass wir sein Netbook nicht
haben, aber konntest du auf seinen E-Mail-Account zugreifen?« Stacey schien
etwas verlegen. »Also, während ich bei Rig hinter den Kulissen zugange war,
dachte ich, ich könnte ja Daniels Account überprüfen.«
Carol schloss für einen kurzen
Moment die Augen. »Natürlich konntest du das. Und was hast du gefunden?«
»Die Person, die sich mit ihm
in einem privaten Chat über die Comedyszene unterhalten hat, nennt sich KK.«
»Oh, Scheiße«, stöhnte jemand
leise.
»Und KKs Seiten wurden an dem
Nachmittag geschlossen, als Daniel verschwand. Er hatte ein anderes Foto von Turing
genommen und die Frisur mit Photoshop überarbeitet, damit er nicht so nach den
vierziger Jahren aussah. Leider muss ich dich enttäuschen, Sam, aber ich
glaube, es gibt nicht viel Raum für Zweifel. Wir haben in beiden Fällen ein und
dieselbe Person vor uns.«
Alle schauten gleich
verzweifelt drein. »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Seth noch lebt,
oder?« Paula sprach aus, was alle dachten.
»Wir müssen trotzdem vorgehen,
als lebte er noch«, erklärte Carol bestimmt. »Aber wir wissen eins aus
Erfahrung: dass ein solcher Täter nicht bei zwei Opfern aufhört. Sam, heißt die
Tatsache, dass du zurück bist, es tut sich nicht viel in Wastwater?«
Sam war erfreut, dass die
Aufmerksamkeit wieder auf ihn gerichtet war. Ȁh, nein. Das Gegenteil ist der
Fall. Aber ich dachte, Sie würden unter vier Augen hören wollen, was passiert
ist. Und außerdem kann ich das, was ich tun muss, besser von hier aus
erledigen.«
Carol warf ihm einen strengen
Blick zu. Er
ist kurz davor, ihre Autorität zu untergraben, und ich bin nicht sicher, ob er
es überhaupt merkt. Paula lehnte sich zurück und wartete ab, ob Sam seinen
Kopf aus der Schlinge ziehen würde. »Was ist passiert?«, fragte Carol, und alle
Wärme war aus ihrer Stimme gewichen.
»Wir haben ein eindeutiges
Ergebnis«, antwortete er. »Gestern am Spätnachmittag zogen die Taucher ein in
Plastik verpacktes Bündel aus dem Wastwater-See, genau an einer der Stellen,
die Stacey angegeben hatte.« Er hielt inne und strahlte sie alle an.
»Kann ich davon ausgehen, dass
wir ein Opfer haben?«, erkundigte sich Carol barsch und erinnerte damit alle
daran, dass es niemals ein Grund zum Feiern sein konnte, wenn sie eine Leiche
fanden.
Man sah Sam an, dass ihm
langsam die Erkenntnis dämmerte, einen völlig falschen Ton angeschlagen zu
haben. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und er räusperte sich. »Mehr als
ein Opfer, leider.«
»Mutter und Tochter, nicht
wahr?«, wollte Carol wissen. »Ja. Sie fanden die Überreste eines kleinen
Kindes. Aber ...« Er konnte nicht anders. Er musste der dramatischen Wirkung
wegen einfach innehalten. »Aber?« Carol war jetzt entschieden ärgerlich. »Aber
das ist nicht alles. Es gab noch Überreste einer dritten Person. Wenn es Danuta
Barnes und ihre Tochter sind, dann war da unten bei ihnen noch eine weitere
Leiche. Wahrscheinlich die eines Mannes.«
22
Tony starrte mit schuldbewusst
hochgezogenen Schultern auf seine Schuhe hinunter. »Danke, Alvin«, murmelte er
und kam sich vor wie ein gerade noch geduldeter Vollidiot. »Ich danke Ihnen,
dass Sie gekommen sind,
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