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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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nicht am selben Fleck. Jedesmal wurde sie wieder ans Wehr getrieben, hielt sich dann an einem rostigen Eisenring fest und wartete auf ihn, das weiße Gesicht hell vor der düsteren, moosbewachsenen Mauer und dem grünlichen Zement. »Bergauf schwimmen«, nannte sie das. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen, aber das Wasser war kalt, und nach fünfzehn Minuten reichte es ihm. Er zog sie ans Ufer, ignorierte ihren Protest und half ihr aus dem Wasser. Er nahm seine Kleider aus dem Korb und ging etwas abseits in den Wald, um sich anzuziehen. Als er zurückkam, stand sie immer noch genau dort, wo er sie verlassen hatte, am Ufer, Blick aufs Wasser, Handtuch um die Schultern.
Sie fragte: »Wenn ich ins Wasser falle, rettest du mich dann?« »Natürlich.«
Er hatte sich gerade über den Korb gebeugt, weshalb er hörte, aber nicht sah, daß sie ins Wasser sprang. Ihr Handtuch lag am Ufer, doch bis auf die konzentrischen Kreise, die sich über das Wasser ausbreiteten, war keine Spur mehr von ihr zu sehen. Gleich darauf tauchte ihr Kopf auf, sie schnappte nach Luft und war wieder verschwunden. Voller Verzweiflung dachte er daran, zum Wehr zu laufen und sie dort herauszufischen, aber das Wasser war von undurchsichtiger, schlickgrüner Farbe, und unterhalb der Oberfläche würde er sie nur finden, wenn er den Grund nach ihr abtastete. Also blieb ihm keine Wahl – er sprang, mit Schuhen und Jackett, fand fast sofort ihren Arm, schob eine Hand unter ihre Schulter und zog Briony nach oben. Erstaunt sah er, daß sie die Luft anhielt. Mit leuchtenden Augen klammerte sie sich an ihm fest. Er schob sie ans Ufer und hievte sich samt seinen durchweichten Sachen mit einiger Mühe aus dem Wasser.
»Danke«, sagte sie immer wieder, »danke, danke.«
»Das war verdammt blödsinnig, was du da getan hast.« »Ich wollte, daß du mich rettest.«
»Weißt du denn nicht, wie leicht man hier ertrinken
kann?«
»Aber du hast mich gerettet.«
Sorge und Erleichterung schürten seine Wut: »Du dumme Göre. Du hättest uns beide umbringen können.«
Sie verstummte. Er hockte auf dem Gras und kippte Wasser aus seinen Schuhen. »Du bist untergegangen, und ich konnte dich nicht sehen. Meine Kleider haben mich runtergezogen. Wir hätten ertrinken können, alle beide. Findest du das witzig? Ja?« Es gab nichts mehr zu sagen. Sie zog sich an, und dann gingen sie beide zurück, Briony zuerst, er selbst patschte hinterdrein. Er wollte in den Park, zurück ins Sonnenlicht. Dann stand ihm noch der lange Weg bis zum Pförtnerhaus bevor, wo er sich umziehen konnte. Seine Wut allerdings war noch nicht verraucht. Sie ist alt genug, dachte er, um sich zu einer Entschuldigung durchringen zu können. Doch sie lief wortlos vor ihm her, hielt den Kopf gesenkt, schmollte vermutlich, aber das konnte er nicht sehen. Als sie den Wald verließen und durch das Schwingtor gingen, blieb sie plötzlich stehen und drehte sich um. Sie schaute ihn offen, beinahe trotzig an. Und statt zu schmollen, fiel sie über ihn her. »Weißt du denn nicht, warum ich wollte, daß du mich rettest?« »Nein.«
»Ist das nicht offensichtlich?«
»Nein, ist es nicht.«
»Weil ich dich liebe.«
Tapfer brachte sie die Worte mit hochgerecktem Kinn vor und blinzelte rasch mehrmals hintereinander, selbst überwältigt von der ungeheuren Wahrheit, die sie ihm offenbart hatte.
Fast hätte er laut aufgelacht. Er war das Opfer einer Schulmädchenromanze. »Was um alles in der Welt meinst du denn damit?« »Ich meine damit, was alle Welt damit meint, wenn sie es sagt. Ich liebe dich.«
Diesmal sprach sie die Worte in pathetisch ansteigendem Ton, doch er ahnte, daß er der Versuchung widerstehen
sollte, sich über sie lustig zu machen. Es fiel ihm nicht leicht. Er sagte: »Du liebst mich, also wirfst du dich in den Fluß?« »Ich wollte wissen, ob du mich rettest.«
»Und jetzt weißt du es. Ich riskiere mein Leben für dich, aber das heißt noch lange nicht, daß ich dich liebe.«
Sie richtete sich ein wenig auf. »Ich möchte dir danken, daß du mir mein Leben gerettet hast. Ich werde ewig in deiner Schuld stehen.«
Zeilen, die bestimmt aus einem ihrer Bücher stammten oder die sie kürzlich gelesen oder auch selbst geschrieben hatte. »Ist schon in Ordnung«, sagte er. »Aber tu das nie wieder, weder für mich noch für sonst jemanden. Versprochen?« Sie nickte und sagte zum Abschied: »Ich liebe dich. Jetzt weißt du Bescheid.«
Sie ging auf das Haus zu. Trotz der Sonne fröstelte er, sah ihr aber

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