McJesus
der katholischen Kirche Die Heilige Familie erreichten sie das Care Center. Es war ein großes zweistöckiges Wohnhaus aus den dreißiger Jahren, gelb wie Wüstensand, mit einem braunen Dach und verwitterter Holzverschalung. Es stand etwas zurückgesetzt vor einem vielleicht zweitausend Quadratmeter großen Platz, auf dem zwischen Kies und niedergetrampeltem Rasen das Unkraut wucherte. An der Ostseite des Hauses lehnte eine Art Pergola, deren rückwärtiger Teil mit einer blauen zerrissenen Vinylplane abgedeckt war und offensichtlich als Garage diente. Darunter stand Bertha.
Schwester Peg kam aus dem Haus, um sie zu begrüßen. »Sie müssen Pater Michael sein«, sagte sie. »Willkommen im Care Center.«
Pater Michael versuchte, die Schwester nicht anzustarren, aber er fand ihre Augen unwiderstehlich. Sie waren braun, von einer engelhaften Liebenswürdigkeit und entzückend umrahmt von der Nonnenhaube. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Schwester«, sagte er. Er war überrascht von der Wirkung, die ihre Augen auf ihn hatten, und es dauerte etwas, bis er merkte, dass eine peinliche Pause entstanden war. »Oh! Ja, das ist Ruth, meine Mutter«, sagte er. »Es geht ihr nicht gut. Aber ich denke, sie braucht nur ein wenig Ruhe.« Ruth blickte kein einziges Mal auf und sagte kein Wort. Sie fühlte sich wie ein Ladenhüter, der von einer Ecke in die andere geschoben wird.
»Ich verstehe«, sagte Schwester Peg. »Ihr Zimmer ist hergerichtet.« Sie blickte auf ihre Uhr. »Am besten, wir gehen gleich nach oben. Danach zeige ich Ihnen alles, wenn wir noch Zeit haben.«
»Sehr gut.« Pater Michael führte seine Mom mit sanftem Druck ins Haus.
Schwester Peg fühlte sich durch Pater Michaels angenehmes Auftreten und sein zärtliches Lächeln ermutigt. Dass er neben seiner Mutter ging und nicht vor ihr, verriet die Art von Geduld, Freundlichkeit und Respekt, die die meisten Menschen nicht mehr für nötig hielten. Sie war sehr froh, dass er gekommen war.
Schwester Peg führte Pater Michael und Ruth in das Zimmer, in dem Mr. Smith gewohnt hatte. Es war das kleinste Schlafzimmer im Haus und das einzige mit Privatsphäre. Während Pater Michael den kleinen Koffer auspackte, saß Ruth auf der Kante ihres neuen Betts und blickte schweigend aus dem Fenster. »Ruh dich ein bisschen aus, Mom. Ich sehe später nach dir.« Er küsste sie auf die Stirn.
Draußen erzählte Pater Michael der Schwester die Geschichte von dem gestohlenen Sattelschlepper und versicherte ihr, dass seine Mom jetzt wieder ihre Medikamente nahm. Schwester Peg sagte, er brauche sich keine Sorgen zu machen. »Ihre Mom ist in guten Händen«, sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln. Sie blickte wieder auf ihre Uhr. »Ich muss in einer halben Stunde auf der anderen Seite des Tals sein. Ich führe Sie ganz schnell herum. Dann muss ich los.« Sie zeigte ihm den Rest des Stockwerks. Es gab acht Schlafzimmer, die größtenteils mit älteren Bewohnern belegt waren. Am Ende des Flurs war ein Bad, das von allen benützt wurde, und daneben lag ein kleiner Aufenthaltsraum mit Tisch und Stühlen, Spielkarten und zwei alten Puzzlespielen.
Am Fuß der Treppe gab es ein weiteres Schlafzimmer, in dem ein ungefähr siebenjähriges Mädchen untergebracht war. Schwester Peg klopfte an, bevor sie hineinging. »Hi, Alissa. Das ist Pater Michael.«
Alissa sah aus ihren grünen Augen argwöhnisch zu ihnen auf. Dünne blonde Ponyfransen hingen über ihre Stirn, und sie hatte schreckliche blaugrüne Flecken im Gesicht, die offensichtlich von Schlägen herrührten. Ihre Arme sahen wie Beweismaterial für Misshandlung aus. Sie saß an die Wand gelehnt auf dem Boden und hielt eine alte Puppe auf dem Schoß.
Pater Michael wollte in das Zimmer hineingehen, aber Schwester Peg hielt ihn zurück, denn Alissa zuckte merklich zusammen. Und die plötzliche Härte in ihrem Gesicht schien zu sagen, dass sie jede Misshandlung, die ihr zugedacht war, ertragen würde. »Es ist okay«, sagte Schwester Peg. »Wir wollen dich nicht stören.«
Schwester Peg führte Pater Michael weiter den Gang entlang. »Es war ihr Vater«, erklärte sie in abfälligem Ton. »Ich habe das Sorgerecht, bis er aus dem Gefängnis kommt.«
»Ist die Mutter auch im Gefängnis?«
»Ich weiß nicht einmal, wer sie ist«, sagte Schwester Peg. Sie sah Pater Michael an und brauchte nichts weiter zu sagen. Sie hatte solche Geschichten schon tausendmal erlebt, und er hatte bestimmt noch Schlimmeres gesehen. Schweigend
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