McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
für ein Grund, der Sie in die Felswüste getrieben hat?«
McQuade trieb sein Pferd dicht an das Fuhrwerk heran, griff in die Manteltasche, holte ein zusammengefaltetes Papier heraus, legte es auseinander und reichte es dem Farmer. »Ich suche diesen Mann«, erklärte der Kopfgeldjäger. »Er wurde zuletzt in Holbrook gesehen. Seine Fährte führt nach Norden.«
Der Farmer las. »Cole Perrigo«, murmelte er dann und spitzte die Lippen. »Fünfhundert Dollar, tot oder lebendig.« Er pfiff zwischen den Zähnen. »Sind Sie ein Sheriff oder vielleicht sogar ein U.S.-Marshal?« Aufmerksam fixierte der Farmer wieder den verstaubten und verschwitzten Mann in dem braunen Staubmantel, mit den tagealten Bartstoppeln auf Kinn und Wangen, den entzündeten Augen und dem hohlwangigen Gesicht.
»Nein.«
»Dann jagen Sie den Burschen der Prämie wegen«, knurrte der Mann auf dem Fuhrwerk. Er heftete seinen Blick wieder auf den Steckbrief. »Die Beschreibung könnte auf einen der Kerle passen, die in Rough Creek für Furore sorgen.« Der Farmer zuckte mit den Schultern und gab McQuade den Steckbrief zurück. »Sie kann aber auch auf tausend andere Männer zutreffen, die sich in diesem Land tummeln.«
McQuade faltete den Steckbrief wieder zusammen und steckte ihn in die Tasche. »Hat man sich von Rough Creek aus an den County Sheriff gewandt?«
Der Farmer lachte fast belustigt auf. »Rough Creek ist vom Sitz des County Sheriffs mehr als hundertzwanzig Meilen entfernt. Er wird sich kaum die Mühe machen, sich auf seinen Gaul zu schwingen und diese Strecke durch die Wüste zu reiten, um in Rough Creek wahrscheinlich heißes Blei zu schlucken.«
»Na schön«, murmelte McQuade und ruckte im Sattel. Das Pferd setzte sich in Bewegung.
»Werden Sie nach Rough Creek reiten?«, rief der Farmer hinter dem Texaner her.
»Ja.«
»Dann reiten Sie geradewegs in die Hölle, Mister! Und Sie werden wohl dem Teufel ins Maul spucken müssen.«
Es klang wie ein böses Omen.
»Es wird sich zeigen«, versetzte McQuade unbeeindruckt, beinahe gleichmütig.
*
Wie ausgestorben lag die breite, staubige Main Street vor McQuades Blick. Zu beiden Seiten der Fahrbahn waren die Wohnhäuser der Bürger errichtet worden. Schmale Gassen führten zwischen sie. Dahinter gab es Schuppen, Scheunen, Ställe und Koppeln, in denen das Nutzvieh der Stadtbewohner untergebracht war. Der heiße Wind trug den beißenden, penetranten Geruch von den Corrals und Pferchen her in die Stadt.
Schimmernd lag die Stadt unter einem Hitzeschleier. Der Eindruck von Ruhe und Frieden täuschte. Rough Creek befand sich im Banne des Bösen. Die unheilvolle Stimmung berührte den Kopfgeldjäger geradezu körperlich. Die Atmosphäre war trügerisch. Die Angst hielt die Menschen in ihren Behausungen und ließ ihre Herzen höher schlagen.
McQuade lenkte das Pferd zu einem Tränketrog und saß ab. Auf dem Wasser schwamm wie eine Haut ein dünner Staubfilm. Das Pferd begann sofort zu saufen. Der Texaner wusch sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht. Nachdem er sich mit dem Halstuch abgetrocknet hatte, schaute er umfassend in die Runde. Hinter einigen der verstaubten Fenster sah McQuade die hellen Kleckse von Gesichtern, die schnell verschwanden, wenn er in ihre Richtung schaute.
In dieser Stadt regierte die Angst.
Etwas Beklemmendes lag in der Luft; Tod und Unheil …
McQuade sah den hohen Stall, auf dessen Giebelseite mit großen, schwarzen Lettern gepinselt war: Livery Stable, Inhaber Paul Slaughter. Der Kopfgeldjäger wartete, bis das Tier seinen Durst gelöscht hatte, dann nahm er es am Zaumzeug und führte es schräg über die Fahrbahn auf den Mietstall zu.
Die Stille hing zwischen den Häusern wie ein Leichentuch.
Im Stall war es düster. Typischer Stallgeruch schlug dem Texaner entgegen. In den Ecken zogen sich verstaubte Spinnennetze. Pferde stampften und prusteten. Fliegen tanzten in den schrägen Bahnen des Sonnenlichts, das durch die Ritzen zwischen den Brettern der Stallwand fiel.
»Hallo, Stall!«
Die beiden Worte entfernten sich von McQuade und verhallten. Kein Mensch ließ sich blicken. McQuade zuckte mit den Achseln und machte sich daran, seinem Pferd den Sattel abzunehmen. Plötzlich aber ging eine Seitentür in der Längswand auf. Sonnenlicht umriss scharf die hagere Gestalt eines Mannes und warf seinen Schatten auf den Stallboden. Dann aber drückte der Eintretende die Tür zu und kam langsam näher. Er war um die fünfzig, seine Haare waren kurz und
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