McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
durchzuckte es ihn. Du gottverdammtes, triebhaftes, brutales Vieh!
»Lass dir die Zeit nicht lange werden, Gringo«, knurrte der mexikanische Bandit. »Bereite dich auf deine Höllenfahrt vor.«
»Wo sind die beiden Halbwüchsigen?«, fragte der Kopfgeldjäger.
»Hier, im Dorf, in Marias und Ronaldos Obhut. Morgen oder übermorgen schaffen wir die kleine Chica nach Hermosillo. Sie wird dort viele, viele Hombres glücklich machen. Und der Bursche, nun, der landet auf einer Hazienda.«
»Das ist Menschenhandel.«
»Es ist ein Geschäft«, verbesserte ihn Juan Martinez. »Wir müssen ja schließlich von etwas leben. – Vamos, Maria.«
Bevor sie den Raum verließ, schoss die junge Mexikanerin dem Kopfgeldjäger noch einmal einen intensiven, ausdrucksvollen Blick zu. Martinez, der sich schon umgedreht hatte, entging es. Maria bewegte die Lippen, formte tonlose Worte, und McQuade versuchte zu lesen, was ihr Mund formulierte.
Dann war Maria draußen, die Tür fiel ins Schloss, der Texaner hörte, wie sie verriegelt wurde.
Marias sonderbares Verhalten ließ ihn Hoffnung schöpfen.
*
Der Abend kam. In McQuades Verlies schlich sich die Dunkelheit. Draußen war es noch weitaus heller. Stimmendurcheinander erreichte sein Gehör. Langsam verdichtete sich auch im Freien die Finsternis. Plötzlich ertönten die Klänge einer Marimba. Sie wurde von einer Gitarre begleitet. Raue Hände begannen im Takt der Instrumente zu klatschen.
Das Fest hatte begonnen.
Deine Totenfeier, McQuade!, zuckte es sarkastisch durch den Verstand des Gefangenen. Wenn nicht irgendein Wunder geschieht, dann hast du noch fünf oder sechs Stunden zu leben. Die Nacht ist kurz …
*
Das Fest wurde immer wilder und ausgelassener. McQuade hörte das Grölen der Betrunkenen, kreischendes Gelächter, das Stampfen der Tanzenden. Er stand am Fenster und schaute in die Nacht hinein. Der Himmel war wolkenverhangen. Kühle Luft strömte in den Raum und streifte das Gesicht des Texaners. Er schätzte, dass Mitternacht vorüber war.
Irgendwann vernahm er ein Geräusch. Es kam von der Tür her. Es war ein kaum wahrnehmbares Knirschen, dem folgte ein trockenes Knarren, und dann raunte die Stimme einer Frau: »Gringo, he, Gringo!«
»Bist du es, Maria?«
»Si. Komm. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
McQuade begriff. Er setzte sich in Bewegung. Bei der Tür erwartete ihn die Frau. Eine ihrer Hände tastete über seinen linken Arm, dann flüsterte sie: »Dreh dich um.«
Im nächsten Moment fiel die Schnur, mit der der Kopfgeldjäger gefesselt war, zerschnitten zu Boden. Maria sagte leise: »Vor der Tür liegen die beiden Wachposten. Nimm ihre Waffen, und dann nichts wie weg.«
McQuade glitt an der Frau vorbei. Trotz der Finsternis im Kirchenschiff sah er die beiden dunklen Gestalten am Boden liegen. Der Kopfgeldjäger hob sich die Fragen, die ihm auf den Lippen brannten, für später auf. Er zog den Revolver eines der Posten aus dem Holster und stieß ihn in das Futteral an seinem Oberschenkel. Dann hob er das Gewehr auf und ging zu dem anderen Besinnungslosen. Dessen Revolver schob er hinter seinen Hosenbund. Das Gewehr des Burschen hob er ebenfalls auf, hielt es Maria hin und fragte: »Kannst du damit umgehen, Maria?«
»Si.« Maria nahm die Waffe. Dann fasste sie McQuade an der Hand und zog ihn mit sich fort. Durch eine Pforte in der Längswand verließen sie die Kirche. Im Schutz einiger verfallener Häuser erreichten sie den Rand des Dorfes. Der Lärm, den die Feiernden verursachten, hatte an Intensität verloren. Und je weiter sie sich von dem Banditendorf entfernten, desto leiser wurde er. Und plötzlich schälten sich die Konturen zweier Pferde aus der Nacht. Die Tiere standen bei einer Gruppe von Büschen. Maria ließ ihre Stimme erklingen: »Sue, Joey!«
Zwei Gestalten lösten sich aus der pechigen Finsternis zwischen den Sträuchern. McQuade verschluckte sich fast vor Überraschung. »Du lieber Himmel, Maria, warum tust du das?«
»Ich werde dir alle deine Fragen beantworten, Americano«, antwortete die Mexikanerin. »Jetzt aber sollten wir zusehen, dass wir Land gewinnen. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis sie unsere Flucht bemerken. Ich nehme Sue aufs Pferd, du den Jungen, Gringo.«
»Ich heiße McQuade.«
Der Kopfgeldjäger ging zu einem der Pferde, stieß das Gewehr in den Scabbard, drehte den Kopf und sagte grollend: »Komm her, Joey.« Der Knabe gehorchte, McQuade hob ihn aufs Pferd, dann saß auch er auf.
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