McQuade - Der Kopfgeldjäger, Teil 1-12 der Saga (Western) (German Edition)
beiden Handpferden näherte. Ansonsten war die Wildnis tot; eine weite Wüste erstarrter Sandwogen, zerklüfteter Felsen und blauer Bergketten in dunstiger Ferne.
Der Gedanke, dass er James Leacock nicht hilflos zurücklassen durfte, wurde immer drängender. So sehr sich McQuade auch dagegen sträubte, er ließ ihn nicht los. Und schließlich zügelte er das Pferd. Die beiden Tiere an der Longe hielten ebenfalls an. Die Pferde stampften auf der Stelle und prusteten. McQuade schaute nach dem Stand der Sonne. Sie hatte ihren höchsten Stand überschritten. Wieder lagen bei ihm Gefühl und Verstand in zäher Zwietracht. Der Kopfgeldjäger war hart – hart wie Granit, und mit Verbrechern kannte er weder Gnade noch Erbarmen. Aber er war auch ein Mensch. Seine Eltern hatten ihn im christlichen Glauben erzogen. Er glaubte zwar nicht an den Gott der Liebe und Barmherzigkeit. Während des Krieges und in der Zeit danach hatte er viel zu viel Elend gesehen und himmelschreiendes Unrecht kennen gelernt, und er hatte den Glauben an das Gute verloren. Aber etwas hatte er nicht abgelegt. Und das war die Menschlichkeit. Und sie machte es ihm unmöglich, über seinen Schatten zu springen.
Es kann dich in des Teufels Küche führen!, sinnierte er. Link Leacock wird keine Fragen stellen. Er wird dir heißes Blei servieren. Zur Hölle damit!
Kurze Zeit trug er schwer an seiner Unschlüssigkeit. Dann aber traf er eine Entscheidung.
McQuade zerrte sein Pferd herum, ruckte im Sattel und gab dem Tier den Kopf frei. Die beiden anderen Tiere folgten. Der Kopfgeldjäger ritt den Weg zurück, den er gekommen war. Nach über einer Stunde erreichte er die Mulde, die ihm um ein Haar zum Verhängnis geworden wäre. James Leacock lag noch dort, wo er ihn zuletzt gesehen hatte. Gregory hockte neben seinem Vater am Boden. McQuade hatte am Rand der Mulde angehalten und ließ seinen aufmerksamen Blick in die Runde schweifen. Von Link Leacock keine Spur. »Na schön«, grollte der Texaner und trieb das Pferd wieder an. Es war ein Vabanquespiel. McQuade kam sich vor wie ein Hammel, der sich freiwillig zur Schlachtbank begab.
Das Kinn des Jungen war auf die Brust gesunken. Als ihn das Pochen der Hufe erreichte, hob er den Kopf. Durch die flirrende Luft sah er den Reiter mit den beiden ledigen Pferden; irgendwie riesengroß, schwarz und bedrohlich, undeutlich und verzerrt. Gregory griff nach dem Gewehr, wie von Schnüren gezogen erhob er sich. Geduckt, das Gewehr an der Hüfte im Anschlag, erwartete er McQuade. Sein Gesicht war verkrampft, sein Mund hatte sich in der Anspannung verzogen.
McQuade zügelte und ließ sich vom Pferd gleiten. »Wo ist Link?« Das Gewehr, mit dem Gregory Leacock auf ihn zielte, nicht achtend ging er zu James Leacock hin und kniete bei ihm ab. Der Farmer lebte, aber er war besinnungslos. Spitz stach die Nase aus dem eingefallenen, bleichen Gesicht mit den tausend Furchen. Die Lider waren gerötet, die Lippen trocken und rissig.
»Fort«, murmelte Gregory Leacock. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln. Seine Augen flackerten beunruhigt. »Er meinte, Dad wäre sowieso nicht mehr zu helfen, und verschwand.« Der Junge schluchzte. »Ich – ich glaube, Link ist wirklich schlecht. Er hat Dad schmählich im Stich gelassen.«
Neben dem Besinnungslosen lag eine Wasserflasche auf dem Boden. McQuade hob sie auf und stellte fest, dass sie leer war. »Hol die Canteen von meinem Pferd«, gebot er.
Nach kurzem Zögern senkte Gregory Leacock das Gewehr und dann holte er die Wasserflasche. Er gab sie dem Kopfgeldjäger, der schraubte sie auf, schob seine linke Hand flach unter den Kopf des Farmers, hob ihn etwas an und hielt ihm dann die Öffnung der Flasche an die Lippen. Wasser rann über das Kinn des Besinnungslosen, doch plötzlich begann er zu schlucken.
»Wir müssen eine Schleppbahre bauen«, erklärte McQuade. »In euren Satteltaschen befindet sich doch sicher ein Messer. Wir brauchen zwei lange, armdicke Stangen und einige Äste.«
Gregory Leacock bewegte sich wie im Trance. In der Satteltasche seines Vaters fand er ein schweres Bowie Knife. Das Gewehr lehnte er gegen einen Felsen. Während er einen Busch suchte, der die passenden Stangen bot, suchte McQuade nach Verbandszeug in den Satteltaschen der Leacocks. Er fand einige Binden und Pflaster. Eine Binde faltete er zu einer Kompresse zusammen, legte sie auf die Brustwunde des Farmers und klebte sie fest. Ebenso behandelte er die Schulterwunde. James Leacock kam nicht zu
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