Mea culpa
Lederrucksacks und fuhr in Urlaub.
7
Rebecca Schultzens letzter Arbeitstag im Ministerium war herangerückt. Ebenso unausweichlich wie alle anderen Tage hatte er sich an Synne herangeschlichen, obwohl sie bereits eine halbe Stunde vor Mitternacht mit der Armbanduhr in der Hand dagesessen und auf irgendein Wunder gehofft hatte, auf etwas Ähnliches wie die perversen Bocksprünge der Sonne an dem Tag, an dem alles angefangen hatte. Als ihr noch eine Minute blieb, war ihr Mund trocken wie Zunder, ihr Rücken schmerzte, strahlenförmig vom Kreuz ausgehend, und auf der einen Hinterbacke konnte sie fast nicht sitzen. Aber kein Gong erklang, als der längere Arm der Mickymaus die schwarze Zwölf auf dem weißen Zifferblatt passierte, kein Blitz schlug hernieder, die Schleusen des Himmels taten sich nicht auf; nur ein weicher Spätsommerregen schlich unangefochten draußen über den Asphalt und trieb sie auf den kleinen Balkon, wo sie stehen blieb, bis sie vor Nässe triefte.
Sie hatten einander nicht kennen gelernt. In einem oder zwei Monaten würde Rebecca Schultz mit den Schultern zucken, vielleicht leicht die Stirn runzeln und sagen: »Synne Nielsen? Synne Nielsen??? Nein … Doch, ja, ich glaube, die arbeitet im Ministerium. Ziemlich große Frau. Hochgewachsen, oder verwechsle ich das jetzt?«
Falls sie überhaupt jemals danach gefragt würde.
Synne blieb nur noch eine einzige Karte.
Es war ein alter Brauch, dass die ganze Abteilung gemeinsam ausging, wenn jemand aufhörte. Manchmal wurde nur kurz ein Bier nach Feierabend getrunken, manchmal wurde auch ein ganzer Abend auf der Piste daraus.
Da es nur selten vorkam, dass eine Abteilungsleiterin aufhörte, fiel dieser Fall streng genommen aus dem Brauchtum heraus. Aber das hatte Synne Nielsen immerhin geschafft: Auf raffinierte Weise hatte sie alle so manipuliert, dass niemand mehr so recht wusste oder sich erinnerte, wer es vorgeschlagen hatte, und noch viel weniger, wer den Mut aufgebracht hatte, Rebecca Schultz zu fragen. Die Abteilungsleiterin wurde bewundert. Sie genoss den Respekt aller; bei Einzelnen reichte die Bewunderung sogar an Ehrerbietung heran. Dennoch hatten sie irgendwie Angst vor ihr, keine richtige Angst zwar, es war eher ein Gefühl, das einer undefinierbaren Bewunderung entsprang, aber Rebecca gehörte einfach nicht ganz zu ihnen. Sie war so tüchtig und zugleich so schön. Doch vor allem wies sie diese seltsame Mischung aus Norwegischem und Unnorwegischem auf, über die niemand laut gesprochen hätte, die allen aber immer wieder aufging, wenn sie in ihrem nüchternen Osloer Westend-Akzent ihre Weisheiten über sie rieseln ließ und sie sich anders vorkamen. Aber sie waren doch nicht anders. Sie waren doch diejenigen, die gleich waren. Wer anders war, war Rebecca.
Rebecca Schultz saß an diesem Tag die ganze Zeit in Besprechungen. Was natürlich dazu führte, dass sie nicht mit den anderen in der Abteilung sprechen konnte. Außerdem war Freitag, weshalb alle ungeduldig auf den Feierabend warteten. Noch dazu war ungewöhnlich schönes Wetter, warm und sonnig und drückend, wie ein verführerischer Augustnachmittag in seiner Schamlosigkeit das eben sein kann, wenn er nur will.
»Aus dem Bier wird ja nun nichts«, sagte Synne Nielsen träge nach einem Gähnen und schenkte sich Kaffee nach. Es war schon drei.
Die anderen blickten sie überrascht an. Der stellvertretende Abteilungsleiter runzelte sogar die Stirn und legte den Kopf schräg. Noch konnte sie das Gegenteil behaupten. Noch konnte sie die Situation retten. Aber irgend etwas zwang sie, ein Nagelbrett zwischen den Schulterblättern, das sie erbarmungslos vor sich hertrieb und dazu in ihrem Kopf eine Art Sirenengesang ertönen ließ: Weiter so, weiter so!
»Nein, wenn ich Rebecca richtig verstanden habe, dann muss sie sofort nach Hause. Blöd. Aber sie hat etwas von alles nachholen gesagt.«
»Klar doch«, murmelte ein junger Mann, der erst seit einem halben Jahr bei ihnen arbeitete, sich in allen sozialen Zusammenhängen jedoch schon als Hauptantriebskraft entpuppt hatte.
Anders als die anderen zog Synne sich in ihr eigenes Büro zurück, wo die Angst, die große, vertraute Angst in allen Ecken auf der Lauer lag.
Sie bekam keine Luft. Sie näherte sich bereits der Verzweiflung, als der brutale Druck auf ihre Lunge etwas nachließ. Dann setzten die Frostschauer ein. Sie klapperte mit den Zähnen.
Das Schlimmste war, dass sie nicht einmal ein Missverständnis vorschützen könnte, wenn
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