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Mea culpa

Mea culpa

Titel: Mea culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Zähne in Schuss zu halten.
    Sie war von Synne unbemerkt zurückgekehrt, und deshalb zuckte Synne leicht zusammen und schaffte den Schwung beim letzten Z nicht so elegant, wie sie es doch eigentlich gekonnt hätte. Es tat weh, den schönen Namen zwischen den groben Pranken verschwinden zu sehen, aber nur zwei Minuten darauf war die Frau schon wieder da und knallte einen Ordner auf den Tresen.
    »Das kann nicht ausgeliehen werden, aber Sie können sich dort hinsetzen«, sagte sie und zeigte auf eine Sitzgruppe.
    Die Tische waren ebenfalls aus Kiefernholz und wiesen keinerlei eingeritzte Herzen oder Initialen auf, womit der Eichentisch auf dem Dachboden übersät gewesen war. In einem Regal lagen Zeitungen, und weitere Topfblumen veranlassten Synne zu dem ärgerlichen Gedanken, dass die Gemeinde offenbar nicht begriffen hatte, dass Bücher an sich dekorativ, beruhigend und anheimelnd genug sind.
    Der Ordner war nicht gerade dick. Er enthielt nur vier Artikel. Drei aus der Zeitung Affenposten und einen per Computer ausgedruckten Agenturbericht. Aber vermutlich werden hier keine Illustriertenartikel archiviert, dachte Synne und überflog die drei Zeitungsausschnitte.
    Sie waren ganz und gar uninteressant und enthielten nichts, was sie nicht schon gewusst hätte. Es ging darin um die Arbeit einer von der Regierung eingesetzten Untersuchungskommission, des Schultz-Ausschusses, und Rebeccas vollständiger Name wurde nur zweimal erwähnt, und das nicht einmal in Verbindung mit einem Zitat.
    Nur der Agenturausdruck erweckte Synnes Interesse. Es handelte sich offenbar um ein Prominentenporträt, ein richtiges Interview mit persönlichen Fragen und eher distanzierten Antworten. Leider gab es keine Bilder; vermutlich waren die Bilder den Zeitungen getrennt zugegangen, die möglicherweise ihre Spalten mit diesem Stoff füllen würden, während die Bücherei natürlich kaum Verwendung für Fotos von Rebecca Schultz mit Mann und Kindern auf der Terrasse ihres wunderschönen Hauses hatte, wie der kursiv gesetzte Bildtext das so sinnloserweise beschrieb.
    Synnes Herz sank, als sie versuchte, den Altersunterschied zu berechnen. Rebecca Schultz war 1946 geboren. Irgendwann im Sommer, hieß es hier, ja, im Interview wurde durchaus Gewicht auf die pikante Tatsache gelegt, dass der genaue Geburtstag der bekannten Politikwissenschaftlerin erst viele Jahre später festgelegt worden war, da keine Geburtsurkunde existierte.
    1946. Also trennten sie nicht zwölf oder dreizehn Jahre. Sondern vierzehn.
    Synne klappte den Ordner zu, nachdem sie über den liebenden Gatten gelesen hatte, der sich trotz seiner herausragenden Position im norwegischen Wirtschaftsleben nach jeder Geburt drei Monate freigenommen hatte und ohne den Rebeccas steile Karriere niemals möglich gewesen wäre. Das hatte sie mit einem dankbaren und »noch immer verliebten« Blick auf ihren Mann gesagt, der übrigens einmal in einer Sportart, die Synne niemals besonders geschätzt hatte, wenn sie sich das genauer überlegte, bei einer Weltmeisterschaft den vierten Platz belegt hatte; einem Winzsport, den auf der ganzen Welt höchstens fünfhundert Trottel betrieben. Oder jedenfalls nicht mehr als fünfzigtausend.
    1946. Die Jahreszahl konnte doch gar nicht stimmen. Der Koreakrieg hatte doch erst 1950 begonnen? Synne sprang auf und machte sich auf die Suche nach einem Lexikon. Sie fand keins und musste widerwillig die Dame aus dem Kuriositätenkabinett noch einmal um Hilfe bitten.
    Sie hatte Recht gehabt. 1950–53. Aber wann war Rebecca nach Norwegen gekommen?
    Der Artikel gab darauf keine Antwort. Er sagte überhaupt nicht sehr viel. Dennoch: Er handelte von Rebecca und war fast schon ein wenig intim. Also ließ Synne sich eine Kopie machen und bezahlte zehn Kronen für diese Freundlichkeit.
    Obwohl der Ordner ihr eigentlich nicht sehr viel erzählt hatte, tat es ihr weh, ihn im Hinterzimmer der Bibliothek verschwinden zu sehen, wo er wieder an seinem angestammten Platz deponiert werden sollte – vermutlich in einen schweren Stahlschrank mit Schubladen –, um vielleicht eines Tages von anderen hervorgeholt zu werden, die auch wussten, wer Rebecca war, aber die sicher nicht wussten, dass sie Seidenhände und einen rosafarbenen, herzförmigen Leberfleck unter dem linken Ohr hatte, perfekt geformt und platziert, wie eine sanfte Einladung zu einem Kuss.
    Behutsam faltete Synne die Kopie zusammen, zweimal, schob sie in die mit einem Reißverschluss versehene Tasche ihres

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