Mea culpa
klugen kleinen Jungen, Pierrot.«
»Ah, Asha!«
Ein fast zahnloses Lächeln.
Stumm dreht sie sich um und zeigt vage und ziellos auf den Ort, eigentlich zeigt sie gar nicht richtig, nicht mit einem Finger, sondern mit der ganzen fuchtelnden Hand.
»Wo? In welchem Haus?«
»Rosa Haus. Weiße Fenster. Auf dieser Straßenseite. Nicht weit.«
Dann geht sie weiter.
Das Haus ist klein, und rosa ist es nicht mehr. Hier und dort sind noch Reste vom Verputz übrig, die beweisen, dass die Frau einmal Recht hatte.
Asha ist nicht da. Ich klopfe an, und als niemand antwortet, drücke ich auf die Klinke und öffne die Tür, sie ist nicht verschlossen, klemmt aber ein wenig, und ich muss mit aller Kraft gegen das Türblatt drücken, ehe ich in die nach dem scharfen Tageslicht undurchdringlich wirkende Dunkelheit hineinrufen kann.
Auch ich habe Grenzen. Als noch immer keine Antwort kommt, ziehe ich die Tür wieder zu und ertappe mich bei dem Wunsch, meine Fingerabdrücke abzuwischen. Ich setze mich auf den niedrigen kleinen Zaun und warte.
Viele Stunden später kommen sie. Es geht auf den Abend zu, und aus den Buden an der Straße riecht es nach Suppe und nach Apfelsinen. Ein ziemlich frischer Wind weht, und ich sitze jetzt an der Wand, wo der Boden hart und unbequem ist.
Petter entdeckt mich als Erster. Er bleibt stehen, und dann setzt er zu einer Bewegung an, die sicher zu einem überschwänglichen und herzlichen Willkommen werden soll; er hebt die Arme und nimmt Anlauf, seine Augen leuchten, und sein ganzes Gesicht öffnet sich, als er mich sieht, indem sie durch das Tor kommen. Plötzlich aber hält er inne, verschließt sich ganz und gar, schlägt die Augen nieder und trampelt an mir vorbei ins Haus.
»War das denn wirklich nötig?«, sage ich leise und sehe Asha an, ohne aufzustehen. »Musstest du ihm davon erzählen?«
Sie versucht, eine lose Locke in eine Spange zu zwängen.
»Ich habe ihm nur gesagt, dass er nicht mehr zu dir darf. Und das war deine Entscheidung.«
Sie trägt eine Tasche voller Lebensmittel. Die Nylontasche mit den Aluminiumgriffen. Eine große Porreestange lugt oben heraus. Zögernd schaut sie nach unten, öffnet die Tasche, ihre Augen überfliegen den Inhalt, dann blickt sie auf, wartet ein wenig, holt Atem, und ein kleiner grüner Vogel setzt sich zwischen uns.
»Isst du mit uns?«
Der Vogel trippelt ängstlich und ruckhaft im Kreis, blitzschnell pickt er immer wieder etwas vom Boden auf, das ich nicht erkennen kann.
Ich nicke nur, glücklich; dieses unerwartete Angebot kann nur bedeuten, dass mir verziehen, dass alles wieder gut ist, dass Petter kommen darf, wenn er will, und dass in meinem Bungalow wieder Ordnung herrschen wird. Mit beiden Händen wische ich Schmutz von meinen Shorts und fahre mir mit den Fingern wie mit einem Kamm durch die Haare.
»Ich erinnere mich an ein Weihnachtsfest vor sehr langer Zeit«, sage ich leise; Petter ist schon ins Bett gegangen, aber die Zimmer sind nicht durch Türen getrennt, und er ist schon zweimal in der Öffnung aufgetaucht, lächelnd, eifrig, alles ist wieder gut, und morgen kommt er zu mir und bringt den Fußball mit, einen FIFA -Fußball mit einem Autogramm von Maradona, das er für echt hält, aber ich habe in Port Louis nur sechs Rupien dafür bezahlt. »Ich war höchstens zehn, und ich hatte in der Zeitung gelesen, dass die Welt in der Silvesternacht untergehen würde. Genau um Mitternacht. Ich hatte Angst, schreckliche Angst!«
Wir trinken Kaffee, süßen Kaffee, so süß, dass ich schnell eine Grimasse ziehe, aber man kann sich leicht daran gewöhnen, ich nippe und puste, und er ist stark und macht einen klaren Kopf. Asha sitzt in einem Schaukelstuhl, das passt gut zu ihr.
»Das waren irgendwelche blöden Inder, weißt du, so eine Sekte, wie hießen sie noch gleich … Weltuntergangssekte. Idioten.«
Asha lächelt, und mir geht plötzlich auf, was ich gesagt habe, ihr Kastenzeichen leuchtet fast, und ich bekleckere mein Hemd mit Kaffee; meine Haut brennt.
»Inder sind natürlich keine Idioten. Das wollte ich nicht sagen. Nicht … ich meinte nur, dass diese Sekte … na ja …«
Ich lüfte mein Hemd und blase mir zwischen die Brüste.
»Auf jeden Fall – sie hatten sich auf den Weltuntergang vorbereitet, und ich hatte grauenhafte Angst. Am Heiligen Abend … verstehst du, ich liebe den Heiligen Abend. Das war immer schon so. Ich liebe ihn noch immer, aber mit zehn Jahren wollte ich nicht einmal die Geschenke aufmachen, und
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