Meade Glenn
konnte. »Es soll dringend sein. Er will unter vier Augen mit Ihnen sprechen.«
»Jetzt sagen Sie nicht, wir fahren auf direktem Wege zum Weißen Haus.«
»Nein, Sir. Der Präsident will zuerst von Ihrer Kommunikationszentrale aus mit Ihnen sprechen.«
Eine Etage über seinem Büro am Judiciary Square Nummer eins verfügte der Bürgermeister über einen Privatraum, zu dem nur er allein Zutritt hatte. Hier standen ein paar Fitnessgeräte und ein Arsenal modernster Kommunikationsgeräte, die es ihm erlaubten, per Satellit direkt und abhörsicher mit dem Weißen Haus zu telefonieren. Brown war verwirrt. Wenn der Präsident so dringend mit ihm sprechen wollte, hätte er ihn ins Weiße Haus gebeten. »Was, zum Teufel, geht da vor, Peterson?«
»Ich weiß es wirklich nicht, Sir. Wir werden es gleich erfahren.«
Brown seufzte und schaute aus dem Fenster. Geduld gehörte nicht zu den Stärken dieses tatkräftigen Mannes. Er war als sechster Sohn eines Fabrikarbeiters in Los Angeles geboren worden und verlebte in einer Mietskaserne eine harte, ärmliche Kindheit, der er seinen eisernen Willen zu verdanken hatte. Sein Studium der politischen Wissenschaften in Yale schloss er mit magna cum laude ab und erlangte in Harvard den Doktortitel.
Mit gerade mal siebenundzwanzig Jahren wurde er zum stellvertretenden Finanzminister von Connecticut gewählt. In dieser Position oblag ihm die Verantwortung für den Staatshaushalt.
Später kam Washington, wo er zum Finanzminister des Districts of Columbia aufstieg und die schwierige Aufgabe hatte, den bankrotten Haushalt der Landeshauptstadt zu sanieren. Innerhalb von drei Jahren gelang es dem resoluten Brown, die Finanzlage Washingtons erheblich zu verbessern. Er beantragte neue Kredite, beschränkte die kostenintensiven Überstunden der städtischen Angestellten und fand heraus, warum die Bilanzen des Distrikts in erster Linie nicht ausgeglichen waren: Sein extravaganter Chef hatte eine große Schwäche für Kokain und Edelnutten, was ihn letztendlich sein Bürgermeisteramt kostete.
Brown wurde als sein Nachfolger gewählt. Er übernahm die Verwaltung eine r Stadt, die moralisch verfallen war: Korruption, Armut, marode Stadtteile, miserable Schulen, ein Drogenproblem, das außer Kontrolle geraten war, eine wachsende Verbrechensrate und mehr als tausend Tötungsdelikte pro Jahr. Washington war schon immer eine.
Stadt der großen Visionen gewesen. Diesen Ort am Ufer des Potomac hatte George Washington persönlich zur amerikanischen Hauptstadt gemacht. Und das ärmliche Kind aus Kalifornien hatte seine eigenen Visionen: sichere Straßen, bessere Bildung, saubere Viertel, erschwingliche Wohnungen und eine gute Gesundheitsvorsorge. Nach drei Jahren harter Arbeit hatte Brown die Stadt saniert.
Ein gestiegener Bildungsstandard, saubere Straßen, weniger Korruption und eine gesunkene Verbrechensrate. Mithilfe von Steuerentlastungen waren Milliarden von Dollar für private Investitionen in die Landeshauptstadt geflossen. Stadtplaner revitalisierten heruntergekommene Viertel, und mit den neuen Geschäften, die in der Stadt entstanden waren, ging es nicht länger bergab. Um seine Pläne gänzlich zu verwirklichen, brauchte Brown die Unterstützung des Präsidenten für einen weiteren Staatskredit über eine halbe Milliarde Dollar. Der Präsident zögerte jedoch.
Al Brown schaute durchs Fenster auf die Vororte der Stadt.
Als er nach Washington gekommen war, hatte er Angst vor dem harten Job gehabt, doch mittlerweile liebte er die Stadt. Die hübschen Backsteinhäuser von Georgetown, der belebte Dupont Circle, das pulsierende Leben in Adams Morgan, ein Hauch von Lateinamerika, Afrika und anderen exotischen Ländern. Das Industriegebiet an der New York Avenue war nicht länger ein Schandfleck, sondern begehrtes Bauland für Bürogebäude. In der Metropole schossen neue Nachtclubs, Restaurants und Geschäfte aus dem Boden, und Washington war ein Mekka für die High-Tech-Branche geworden. Brown konnte beeindruckende Zahlen vorweisen: siebenunddreißig historische Bezirke, mehr als fünfzig ethnische Gruppen jeder Hautfarbe und jeden Glaubens, eine Stadt, die pro Jahr einundzwanzig Millionen Menschen anzog. Der Bürgermeister war noch nicht zufrieden. Im Südosten der Stadt gab es Ödland, heruntergekommene, verarmte Viertel, in denen Graffiti die Wände zierten und immer wieder ausgebrannte, gestohlene Wagen entdeckt wurden. Mord und Totschlag waren hier noch immer an der Tagesordnung.
Brown
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