Meade Glenn
wegzuqualmen. Als Resultat davon klang seine Stimme heiser, und er hustete bei fast jedem Satz, den er äußerte. Seine Finger waren ständig braun von Nikotinflecken, aber seine blaugraue Uniform mit den roten Schulterstücken war stets frisch gebügelt, die Bügelfalten messerscharf – das einzige äußere Zeichen seiner hohen Ansprüche.
Von seinem Büro aus konnte man die Plaza de San Fernando überschauen und hatte einen wunderbaren Blick über Mexico City, die ausgedehnte, pulsierende Metropole, sein Herrschafts-gebiet. Das Büro selbst wirkte funktionell und ordentlich bis auf die überquellenden Aschenbecher, das einzige Unordentliche im Raum. Sie standen strategisch verteilt, damit Gonzales überall einen in Reichweite hatte: Einen an dem breiten Fenster, einer auf einem Metallschrank an der Tür, und zwei auf dem Schreibtisch. Der eine davon bestand aus funktionellem Glas, der andere war ein wunderschönes Stück aus verziertem Quebraco-Holz in Form einer halben Kokosnuß mit einem Fuß aus glitzerndem Bergkristall. Die Indios im paraguayischen Chaco hatten ihn geschnitzt, und er war ein Geschenk seines Freundes Capitán Vellares Sanchez.
Das Holz verbreitete ein durchdringendes Aroma, das man trotz all der Berge von Zigarettenasche noch riechen konnte. Der Aschenbecher war ein wahres Kunstwerk: Häßliche, finstere Mulattengesichter mit geschlossenen Augen waren in das dunkle, steinharte Holz eingeschnitzt. Den eigentlichen Aschen-behälter bildete eine geöffnete, perfekt geschnitzte Hand, die in seltsamen Kontrast zu den häßlichen Gesichtern stand. Er ähnelte auf dem ersten Blick einem Kelch mit hedonistischen Motiven. Die hölzernen Gesichter sahen aus wie Schrumpfköpfe vom Amazonas, die man in den Museen bewundern konnte.
Aber sie wirkten nicht furchteinflößend. Eher dienten sie dazu, einen daran zu erinnern, daß das Böse vom Guten beherrscht werden mußte, daß eine starke Hand alles Übel in Schach halten konnte. Schönheit und Ordnung kontrollierten das Böse und Häßliche.
Jedenfalls nach dem Glauben der Indios.
Das hatte Sanchez jedenfalls erzählt, als er ihm den Aschenbecher vor Jahren in Caracas geschenkt hatte. Allerdings hatte er dabei gelächelt, als könnte die Geschichte genausogut erfunden sein.
Die Legende gefiel jedenfalls Gonzales’ verdrehtem Humor, obwohl seine Erfahrung ihm sagte, daß es in der Wirklichkeit nicht immer so war. In seiner verrückten, sauerstoffarmen Metropole mit über zwanzig Millionen wimmelnder Seelen regierten jeden Tag, den Gott werden ließ, Anarchie und Chaos.
Dennoch hatte das Geschenk von Vellares Sanchez den Ehrenplatz auf Gonzales’ Schreibtisch erhalten, und wenn jemand eine Bemerkung dazu machte, erzählte Gonzales mit vergnügtem Grinsen Sanchez’ Geschichte.
Jetzt drang die Dezembersonne in das Büro. Trotz der Jahreszeit herrschte eine überaus gemäßigte Temperatur; eine Warmluftfront über dem Golf von Mexico war dafür verantwortlich. Die Klimaanlage unter der Decke blies kühle Luft ins Zimmer, aber vergeblich.
Ein Metalltablett mit Mineralwasserflaschen, einem Krug mit frischem, eisgekühltem Limonensaft und vier Gläsern stand auf Gonzales’ Schreibtisch. Trotz der Hitze war es unberührt geblieben, seit eine junge Polizistin sie vor einer Viertelstunde gebracht hatte.
Die vier Männer saßen um den Schreibtisch. Gonzales und Juales, sein Capitán, ein breitschultriger, massiger Mann mit buschigen Augenbrauen, saßen auf der einen Seite, Sanchez und Cavales auf der anderen.
Eduardo Gonzales zog an seiner Zigarette, hustete heiser und blies den Rauch in die warme Luft. Er streifte die Asche in den hölzernen Aschenbecher und betrachtete dann wieder seine beiden Besucher ihm gegenüber. Die beiden Männer waren müde und ihre Augen nach dem langen Flug gerötet. Die Höhe der Stadt macht sie bestimmt benommen, dachte Gonzales.
Touristen und Besucher brauchten mindestens achtundvierzig Stunden, bis ihre Lungen sich an den Sauerstoffmangel gewöhnt hatten, und die beiden Männer vor ihm waren vor weniger als einer Stunde hier eingetroffen. Ein Streifenwagen hatte sie mit heulender Sirene und Blaulicht direkt vom Flughafen hierhergebracht. Ihre Lungen müssen brennen, dachte Gonzales, ihr Verstand ist sicher umnebelt, und der ganze Leib schmerzt ihnen von der Höhenkrankheit. Aber keiner der beiden Besucher beklagte sich mit auch nur einem Wort.
Nach den üblichen Formalitäten und gegenseitigen Begrüßungen war Sanchez
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