Meagan McKinney
auf das Gefängnis zu. Jan beobachtete,
wie er fortging. Man konnte das Unbehagen in jedem von Cains Schritten spüren
–
»Christal,
Mädchen, da ist jemand in der Stadt, der dich sucht.« Cain trat in den Raum, wo
Christal am Tisch saß, der mit dem himmelblauen Wollstoff bedeckt war. Das
Kleid war fast fertig.
»Wie sieht
dein Onkel aus?« Er warf ihr einen angespannten Blick zu.
»Er ist ...«
»Er ist
kleiner, fetter und älter als ich.«
Cain
wirbelte herum.
Christal
stieß einen kleinen Schrei aus, als sie den Fremden auf der Schwelle der Tür
entdeckte. Er füllte den Rahmen mit seiner geschmeidigen, großen Gestalt fast
aus. Sie hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen, aber sie würde ihn nie mehr
vergessen. Er sah unglaublich gut aus, hatte blitzende, dunkle Augen und fast schwarzes
Haar, das mit Massacar-Öl zurückgekämmt war. Er trat steif in das Gefängnis,
wobei er sich bei jedem Schritt leicht auf einen Ebenholzstock stützte.
»Wer sind
Sie?« Cain kreuzte die Arme vor der Brust und trat schützend vor Christal.
Mißtrauen lag in seinen Gesichtszügen.
»Ich suche
Christabel van Alen.« Der Mann hielt am Tisch an und schien Cains Bedürfnis
nach Distanz zu akzeptieren. In seiner Stimme lag ein leichter Akzent. Er
hatte irische Wurzeln.
»Kennst du
diesen Mann, Christal?« Cain blickte mit deutlichem Unbehagen hinter sich.
Sie
schüttelte den Kopf, aber sie konnte ihren Blick nicht von dem Fremden lösen.
Er hatte sie irgendwie eingefangen.
»Sie kann
mich nicht wiedererkennen, da wir uns nie zuvor begegnet sind«, sagte der
Fremde. »Aber ich erkenne sie wieder. Sie sieht ihrer Schwester Alana ähnlich
... meiner Frau.«
»0 mein
Gott!« Christal sank in ihrem Stuhl zurück, der Schock erschütterte ihren
ganzen Körper. Sie konnte den Blick nicht von diesem Mann wen den. Er war ihr
Schwager. Der Mann ihrer Schwester. Ihre Hochzeit war hastig und eilig
inszeniert worden, und sie hatte natürlich keine Erlaubnis bekommen, dabei zu
sein. Sie hatte niemals den Mann kennengelernt, den ihre Schwester liebte. Sie
wußte nur, daß er Ire war, Trevor Sheridan hieß, und daß Alana ihn über alles
liebte. Jedesmal, wenn Alana ihr bei den allzu kurzen Besuchen in der Anstalt
von ihm erzählt hatte, hatte Christal die Leidenschaft in ihren Augen sehen
können. Und nun stand dieser Mann vor ihr.
»Wie geht
es meiner Schwester, Mr. Sheridan?« Sie konnte die Aufregung in ihrer Stimme
nicht unterdükken. »Ist sie gesund? Was hat sie in all den Jahren getan?«
»Das
einzige, Christal, was sie wirklich beschäftigt hat, warst du.« Er trat vor,
doch Macaulay versperrte ihm den Weg.
Die beiden
Männer musterten sich einen langen Augenblick. Ärger flammten in Sheridans
Augen auf, doch dann schien er etwas in Cains Miene zu entdecken, das ihn
zögern ließ. Er betrachtete Cains beschützende, selbstsichere Haltung, dann
warf er Christal einen Blick zu, mit dem er jede Einzelheit ihrer Erscheinung
in sich aufnahm: Von ihrem offenen Haar und dem billigen, abgetragenen Kleid
bis zu ihrer makellosen Nase und dem vollen Mund, beides das Ebenbild ihrer
Schwester.
Plötzlich
war Sheridan seltsam zufrieden mit ihrer Beziehung, trat einen Schritt zurück
und nahm am Tisch Platz, wobei er seinen Stock mit dem goldenen Knauf über
seine Schenkel legte. »Wie können wir jetzt vorgehen, Sheriff? Ich muß dieses
Mädchen mit nach New York nehmen.«
»Kehren Sie
allein nach New York zurück. Ich werde sie hinbringen.«
»Laß mich
mit ihm gehen, Cain.« Christal wandte sich an Sheridan, »Bitte erzählen Sie mir
von Alana. Wie geht es ihr? Hat sie ...?«
»Sie konnte
mich nicht begleiten, Christal, obwohl es sie fast umgebrachte hat, daß ich sie
zurückließ.« Wieder schlich sich der Akzent des Mannes ein. Christal konnte
verstehen. daß ihre Schwester sich in ihn verliebt hatte. Er wirkte düster, ja
sogar ein wenig erschreckend, aber da war etwas Ehrliches und Aufrechtes in
seinem Wesen, etwas in seinem leichten irischen Akzent, etwas, wie er Cain den
Respekt erwies, der angemessen war. »Sie ist schwanger. Mit unserem dritten
Kind.«
Ihr Mund
öffnete sich sehnsuchtsvoll. »Nichten oder Neffen?«
»Zwei
Neffen. Von dem letzten hoffen wir, daß es ein Mädchen wird. Alana sollte vor
zwei Wochen niederkommen. Ich bin schon eine lange Zeit unterwegs.«
»Wie haben
Sie mich gefunden?« Sie wußte überhaupt nicht, mit welcher der vielen Frage in
ihrem Kopf sie beginnen sollte.
»Alana und
ich suchen dich
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