Meagan McKinney
Lebwohl.
Henry
Glassie lachte nur. »Ich glaube nicht, daß der Schwager dieser Frau es schätzen
würde, wenn Sie sich wie ein Abtrünniger davonmachen. Hören Sie zu, Cain. Ich
war die meiste Zeit unter diesen Säcken bei Bewußtsein. Sie sagen, Sie hätten
kein Geständnis von Didier. Das ist nicht wahr, denn ich habe gehört, wie er
jedes seiner Verbrechen gestanden hat, jedes einzelne Wort, und ganz sicher
werde ich alles vor Gericht wiederholen. Von diesem Augenblick an können Sie
Miss Christabel van Alen getrost als freie Frau betrachten.«
Cain stand
wie angewurzelt da, als müßten Glassies Worte erst bis zu ihm durchdringen.
Dann plötzlich stieß er ein lautes Siegesgeheul aus und riß Christal in seine
Arme wie eine Puppe.
Ihr Geist,
ihr Körper, waren wie betäubt von dem Schock. Sie war frei.
Sie war
frei.
Kapitel 29
Manhattan. Es hatte sich in vier Jahren
verändert. Christal hatte die Stadt verlassen, als die höchsten Gebäude noch
die Kirchtürme waren. Nun gab es Bürogebäude und Geschäfte, von denen einige
höher als sechs Stockwerke waren. Und es gab einen erhöhten Zug, der
konstruiert worden war, um das Durcheinander von Kutschen und Omnibussen auf
den Straßen zu umgehen. Das Farmland nördlich des Central Parks war für
Stadthäuser erschlossen worden. Es wurde sogar davon gesprochen – wie
lächerlich! – Wohnungen für die Reicheren zu bauen, und die Pläne sahen vor,
das Gebäude im Westen des Parks zu errichten – einem Gebiet, das noch so
desolat war, daß die Leute es scherzhaft Dakota Territorium nannten.
Die Stadt
hatte sich verändert. Sie hatte sich verändert. Christabel van Alen war
zurückgekehrt, jedoch war sie nicht mehr das Mädchen, das sie einst gewesen
war. Allerdings ... ihr Blick glitt zu Macaulay, der schweigend neben ihr in
der gemieteten Kutsche saß. Sie wollte auch nicht mehr wirklich dieses Mädchen
sein. Sie wünschte sich, daß sie die Qualen und den Schmerz nie wieder würde
empfinden müssen. Aber wäre sie nicht vor ihrem Onkel geflüchtet, dann hätte
sie niemals Macaulay Cain kennengelernt. Ihre Liebe. Ihre Rettung.
»Du bist
sehr still, mein Geliebter«, flüsterte sie und drückte seine Hand.
»Bist du
aufgeregt? Du warst solange nicht mehr zu Hause.« Er lächelte sie an, aber
seine Augen waren beschattet. Er verschwieg etwas, da war sie sicher. Seit sie
im Grand Central Depot angekommen waren, war er so still, als würden sie zu
einem Begräbnis fahren. Sie wünschte, er würde ihr mitteilen, was ihn derart
beschäftigte.
»Alles ist
so anders geworden. Die Stadt ist enorm schnell gewachsen, ich kann mich gar
nicht richtig orientieren.« Sie blickte aus dem Fenster. Telegraphendrähte
durchkreuzten den Himmel wie Netze aus Wäscheleinen, die Bürgersteige waren
gefleckt von den eisernen Luken der Kohlenschütten, und selbst die Gassen waren
nun gepflastert. Manhattan war in jeder Hinsicht modern.
»Christal.«
Sie wandte
sich zu ihm um, und ihre Augen funkelten vor Glück und Vorfreude. Er schien
dagegen so finster. »Warum bist du denn so nachdenklich?« Sie lachte. »Du
machst ein Gesicht, als ob wir zum Galgen führen.«
Sein Mund
verzog sich zu einem schiefen Grinsen, während sein Blick über die modisch
gekleideten Einkäufer am Broadway glitt. »Das ist alles nur so neu, das ist
alles.« Er mied ihren Blick. »Ich habe nie mit ... so etwas gerechnet.« Er
machte eine Geste zum Fenster hin.
»Du hast
mir doch gesagt, daß du schon in New York warst. Du kanntest Delmonico's.«
»Ich war
vor langer Zeit hier ... kurz nach dem Krieg. Und natürlich habe ich schon
etwas von Delmonico's gehört. Jeder, der mal hier war, hat das. Aber ganz
bestimmt habe ich dort noch nie gegessen.«
»Dann gehen
wir hin, wenn du magst.«
»Du weißt,
daß ich mir das nicht leisten kann. Du wirst mit Sheridan und deiner Schwester
hingehen müssen.«
Sie legte
die Hand vertraulich auf seinen Schenkel. »Meine Schwester ist reich, nicht
ich. Vergiß das nicht.«
Er warf ihr
einen Blick zu. »Du hast dein Erbe, aber ich rede nicht über ein Vermögen ...
ich rede von Erziehung, gesellschaftlichem Hintergrund, Familienbanden und
Tradition. Egal, was du sagst, Christal, das hier ist alles ein Teil von dir.
Ich sehe es in deinen Augen.«
»Vielleicht
ist es ja so. Aber was ändert das? Nichts.«
»Es ist ein
Teil, den ich kaum kenne.«
Sie
berührte seine Wange. Er wandte sich zu ihr. Ihre Blicke versanken ineinander.
»Dann laß uns uns doch noch
Weitere Kostenlose Bücher