Meagan McKinney
einmal kennenlernen ...«
Sie küßte
ihm zärtlich auf die Lippen – ein süßer, liebender Kuß, der so flüchtig wie
keusch sein sollte. Doch sie stellte schnell fest, daß er es anders wollte. Er
schlang seine Arme um sie, zog sie auf seinen Schoß und vertiefte schamlos den
Kuß, als wäre sie immer noch ein beliebiges Saloonmädchen und nicht die
berühmte, langvermißte Erbin aus der Fifth Avenue. Trotz der Abgeschlossenheit
der Kutsche, konnte Christal draußen auf den steinernen Gehwegen einige Männer
höhnisch lachen hören.
»Hör auf
...«, keuchte sie, als sie sich endlich von ihm losmachen konnte. Ihre Wangen
waren gerötet, und sie blickte verlegen aus dem Fenster, ob jemand sie beobachtet
hatte.
»Du siehst,
wie du dich verändert hast.«
»Nein. Ich
wollte noch nie wie eine Hure behandelt werden.«
Sein Mund
formte sich zu einer steinharten Linie. »Mädchen, so behandele ich keine Hure.
So behandele ich die Frau, die ich liebe.«
Sie seufzte.
Sie wußte, er war ein Mann, den man nicht zähmen konnte. Und hier mitten in der
Stadt erschien er nur noch wilder als sonst.
»Fifth
Avenue«, rief der Fahrer aus und klopfte an die Tür der Kutsche.
»Alana.«
Christal flüsterte den Namen ihrer Schwester wie ein Gebet.
»Komm.«
Cain half ihr aus der Kutsche. Wenn er über das gewaltige Steinhaus vor ihm
schockiert war, so ließ er es sich nicht anmerken. Sie rannte viel zu
begeistert zur Tür und hämmerte dagegen.
»Ja?« Ein
alter, strengwirkender Butler öffnete ihr. Hinter ihm lauerte das marmorne
Foyer wie ein Mausoleum.
»Ich ...
ich wollte zu Alana.« Christal hielt den Atem an. Sie hatte nicht erwartet,
irgend etwas zu erkennen, denn schließlich war sie nie im Anwesen der
Sheridans gewesen. Aber hier war alles so befremdlich. Vielleicht war ihre
Schwester gar nicht zu Hause? Vielleicht hatte sie auch am falschen Haus
geklopft?
»Miss
Christabel?«
Christal
riß die Augen auf. Der Butler lächelte fast, und in seinen Augen war eine
Zuneigung zu ihr zu erkennen, die er keinem Fremden entgegengegebracht hätte.
Er kannte Alana. und Christal sah ihrer Schwester ähnlich genug, daß er sie
erkennen mußte. Sie war also zumindest im richtigen Haus.
»Ist sie
da? Oh, bitte sagen Sie nicht, ich hätte sie verpaßt.«
»Nein, Miss.
Ich sage ihr. daß Sie angekommen sind. Bitte kommen Sie doch herein und
erlauben Sie mir, Sie in die Bibliothek zu führen. Mein Name ist Whittaker.«
Der Butler
trat zur Seite und ließ sie eintreten. Als Macaulay
ihr folgte, tauschten die Männer mißtrauische Blicke aus.
»Und wen,
Sir, darf ich in Begleitung von Miss Christabel melden?« Der Butler wartete
darauf, daß Cain sich vorstellte, als wäre er ein General, der einen
rangniederen Lieutenant zurechtwies. Ihm entging nichts von Macaulays
Erscheinung: weder die grobe, kaum zivilisierte Art seines grauen Wollanzugs,
die der Mann mit einer unsichtbaren Ungezähmtheit trug, die aus jeder Faser zu
strömen schien, noch der saubere, gestärkte Kragen, der nur knapp eine
schreckliche Narbe um die Kehle verbarg. Dem alten Butler fiel insbesonders
der seltsame schwarze Hut auf, den der Mann immer noch nicht abgesetzt hatte.
»Ich
fragte, wen darf ich melden?« wiederholte Whittaker distinguiert.
Cain
klatschte sich vor die Stirn. »Himmel, verflucht soll ich sein. Ich hab' meine
Visitenkarten vergessen!«
Christal
warf Cain einen zornigen Blick zu. »Sagen Sie ihnen einfach, U.S.-Marshal
Macaulay Cain begleitet mich.«
»Sehr
schön.« Whittaker verbeugte sich vor Cain, während er seine Miene kalkuliert
neutral hielt. »Darf ich Ihren Hut nehmen, Sir?«
Cain nahm
den Hut ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann reichte er ihn dem
Butler, doch gerade, als Whittaker sich zurückziehen wollte, sagte er in
spottender Vertraulichkeit: »Momentehen, Kumpel.«
Whittaker
hob indigniert die Augenbraue bei dieser Anrede. Cain lächelte und löste
seinen Pistolengürtel unter seiner Jacke. Dann bückte er sich und öffnete die
Riemen, die um seine wollbekleideten Schenkel saßen. Lässig ließ Cain die
Waffen in die Hand des Butlers fallen.
Whittaker
sah hinunter. Die Sechsschüsser sahen gut geölt und oft benutzt aus. Der Gürtel
war mit genug Patronen bestückt, um jemanden längere Zeit belagern zu können.
Er schluckte. »Ist das alles, Sir?« Mit geweiteten Augen blickte er Cain an.
Cain
kreuzte die Arme über der Brust. »Ja.« Seine Antwort kam gedehnt und vergnügt.
Der alte
Butler nickte. Er
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