Meagan McKinney
gegessen hatte. Die Gabel, die zwischen
Zunge und Gaumen geglitten war. So, wie seine Zunge es bei ihr getan hatte, als
er sie küßte.
Ihr
Verstand befahl ihr, ihren Stolz zu wahren und sein Angebot
zurückzuweisen, aber ihr Überlebensinstinkt überstimmte den Verstand. Sie nahm
den Teller und aß.
Und trotz aller Versuche, es zu unterdrücken, überkam sie wieder diese
unsinnige Dankbarkeit, weil er ihr erspart hatte, von den Tellern dieser widerlichen
Kerle zu essen.
Er wartete,
bis sie alles abgewaschen hatte, und führte sie dann in die Wälder. Seitdem die
Nacht angebrochen
war, starrten die Männer sie an. In den Bergen kam die
Dunkelheit früh und mit ihr die Kälte. Und wie Koyoten, die auf neue Beute
warteten, beobachteten
die Männer sie und leckten sich dabei die Lippen, als
wäre sie eine Art Delikatesse, die sie unbedingt probieren wollten. So war sie
wieder einmal fast
dankbar, als Cain sie an der Hand packte und sie aus dem Feuerschein
herausführte. Diesmal zog er sie nicht hinter den Verschlag, sondern führte sie
tief in den Wald hinein, und ihr Herz hämmerte mit der aufkommenden Furcht,
als die Männer am Feuer hinter ihnen her grölten und johlten.
Sie gingen
bis zum Fuß des Wasserfalls, wo das Wasser in ein kleines Becken donnerte – ein
betäubendes Geräusch, da es zu dunkel war, etwas zu sehen, woran man sich
orientieren konnte. Cain führte sie zu einem Findling und bewegte sich
geschmeidig und sicher wie eine Katze in der Nacht. Er kletterte hinauf, zog
sie hoch, und so saßen sie eine lange Weile da, hörten dem Fluß zu, der von
oben herabrauschte und beobachtete die wenigen Sterne, die durch das dichte
Dach der Baumwipfel blinkten.
Es war eine
seltsame Gemeinschaft. Sie saßen dort zusammen, weil er sie vergewaltigen
sollte und sie aus irgendeinem Grund verschonte. Sie warteten auf diesem
großen, dicken Stein die Zeit ab, die es brauche würde, die schreckliche Tat an
ihr zu begehen, während Christal von Emotionen geplagt wurde, die zwischen
Dankbarkeit und Haß hin und herpendelten, bis sie schließlich beide nicht mehr
auseinanderhalten konnte. Cain schwieg und hielt seine Gefühle, wenn er
überhaupt welche besaß, verschlossen und unantastbar.
Er umfaßte
sie nur leicht mit einem Arm um die Taille, ohne sie wirklich zu berühren. Es
war August – die Tage waren heiß und voller Mücken, die Nächte aber bitterkalt.
Unwillkürlich schauderte sie zusammen und sehnte sich nach ihrer Stola, die in
ihrer Tasche gepackt war, welche sie zuletzt festgeschnallt auf dem Dach der
Overland Express-Kutsche gesehen hatte. Der Wald um sie herum schien in seiner
erstarrten Stille besonders bedrohlich, und sie dachte angstvoll an die Wesen
da draußen, Nachttiere, die sie vielleicht beobachteten, während sie sie nicht
sahen.
»Ist es
sicher, hierzu sein?« fragte sie sanft. Sie waren sich so nah, daß er sie
trotz des donnernden Wassers hören würde. »Gibt es Bären hier draußen?«
»Bluten
Sie?«
»Bluten?«
»Tragen Sie
Lumpen zwischen Ihren Beinen? Haben Sie ihre monatliche Unpäßlichkeit?«
Eine kurze
Sekunde dachte sie entsetzt, er wollte solche intimen Dinge von ihr wissen,
weil er sie nun doch vergewaltigen würde. »W-warum fragen Sie?« stammelte sie.
Er
antwortete knapp. »Weil Bären auf eine Meile Entfernung Blut wittern können. Es
ist nur gefährlich, hier zu sitzen, wenn einer von uns blutet. Also?«
»Nein.« Sie
war dankbar für die Dunkelheit, denn sie spürte, wie ihre Wangen erröteten.
Miss Bulfinch, ihre geliebte Gouvernante aus vergangenen Tagen, würde sich in
ihrem Grab umdrehen, wenn sie gewußt hätte, daß Christal mit diesem Outlaw ihre
weibliche Natur besprechen mußte.
Cain
schwieg, als würde er über etwas nachgrübeln. Er schien den ganzen Abend schon
vor sich hingebrütet zu haben, und seine seltsame Laune verschaffte ihr
Unbehagen. Sie rutschte nervös in seinem Arm herum, bis er schließlich fester
zupackte und sie zwang stillzusitzen.
Schließlich
begann er: »Ich frage mich die ganze Zeit ... was hat eine Frau wie Sie allein
im Overland Express zu suchen? Wir hatten nicht erwartet, eine Frau in der
Kutsche vorzufinden. Diese Sache war nicht vorgesehen. Wo sind Ihre
Angehörigen? Wo ist Ihre Familie, Christal?«
Die Nennung
ihres Vornamens ließ sie innehalten. Sie hatte ihre Antworten – die Lügen –
bereits auf der Zunge gehabt – drei Jahre Übung hatten es ihr leicht gemacht,
sie auszusprechen. Doch als sie hörte, wie diese
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