Meagan McKinney
verbergen.
»Es gehörte
meinem Mann.«
»Nein.« Nun
sah er sie wieder an. »Sie besaßen all das Gold und haben dennoch Ihren Ehering
verkauft?« Er lächelte plötzlich, und Christal jagte ein Schauder den Rücken
hinunter. Er hatte sie bei einer Lüge ertappt, und sie konnte sich nicht mehr
herauswinden. Also sagte sie nichts. Schweigen war besser, als schwache
Ausreden zusammenstammeln.
»Sie haßten
ihn, nicht wahr?« fragte er in einem seltsamen Tonfall.
Nun mochte
sie ihn nicht ansehen. »Stellen Sie mir keine Fragen über meine Vergangenheit,
wenn Sie mir nicht helfen wollen.«
Er warf
einen Blick zu den schlafenden Männern hinüber. Das Schnarchen ertönte im
Einklang mit dem klagenden Ruf einer Eule. Dann sah er sie wieder an, und ihre
Blicke hielten einander fest. Er schien etwas sagen zu wollen, aber offenbar
konnte er es nicht. Wieder blickte er zu den Männern hin. Sie fragte sich, ob
er glaubte, der eine oder andere würde vielleicht nicht wirklich schlafen und
ihrem Gespräch lauschen. Sie wollte ihn fragen, doch schon war dieser
Augenblick des seltsamen Einvernehmens vorbei. Er schob seine Waffen in das
Halfter zurück und rollte seine Decke aus. Dann zwang er sie auf der anderen
Seite des Kamins darauf nieder.
Bebend
wartete sie, daß er sich zu ihr legte und fürchtete seinen Zorn, der vielleicht
kommen würde. Doch er berührte sie nicht einmal. Statt dessen setzte er sich
mit dem Rücken an den warmen Kamin gelehnt und
grub eine Mundharmonika aus seiner Satteltasche aus. Er begann, »Tom Dooley«
anzustimmen, und einer der Männer – sie glaubte, daß es Kineson war – rief
plötzlich: »Cain. du bist vielleicht ein Kerl. Spielst die Mundharmonika. Mann.
wenn das mein Weib wäre. würde ich nur noch mit ihr spielen!«
Das
Gelächter der Männer drang zu ihr herüber. Christal fröstelte. Cain begann zu
singen. Hang
yo' head, Tom Doolah, Hang yo' head and cry, You killed Laurie Foster and now
you're gonna die. Die
Worte brannten sich in ihren Kopf. Now you're gonna die – nun mußt du
sterben.
Kapitel 6
Der
Sonntag brach mit
einer Verschlechterung an. Über Nacht hatte eine winterlicher Kälte die Luft
durchdrungen und weißer, frostiger Reif bedeckte alles – auch die Decke, unter
der sie schliefen. Christal graute es davor, die Wärme von Cains Körper zu verlassen,
doch die Morgendämmerung kam und färbte die schroffen Felswände am
entgegensetzten Ende der Schlucht, lange bevor die Dunkelheit wirklich wich und
die Sonne über die Gipfel lugte. Dies war eins der seltsamen Dinge, an die man
sich in den Bergen gewöhnen mußte: Die Dämmerung war zuerst im Westen zu
sehen.
Obwohl er
in ihrem Rücken lag und sie ihn nicht sehen konnte, wußte Christal doch, daß
Cain wach war. Er bewegte sich nicht, als ob auch er zögerte, die Wärme der
Decken zu verlassen. Nun waren nur noch zwei Tage zu überstehen, bis das
Lösegeld gezahlt werden sollte. Noch zwei Tage in der Hölle der Gefangenschaft
durch die Kineson Gang, zwei Tage voller widersprüchlicher Gefühle für diesen
Mann, der sie unter den warmen, bereiften Decken festhielt. Wie es ausgehen
würde, war nicht vorauszusehen. Christal stellte sich die verschiedensten
Situationen vor, doch einer Sache war sie sich sicher: Cain würde nicht zulassen,
daß man ihr etwas tat. Er hatte sie zu oft in Schutz genommen, hatte zu viele
Risiken in Kauf genommen, um Kineson und den anderen Männern zu erlauben, sie
wie ein Lamm abzuschlachten, wenn sie erst einmal das Lösegeld hatten. Sie
wünschte nur, sie hätte auch so zuversichtlich sein können, was Mr. Glassie,
Pete und die anderen Mitreisenden anging. Ihre Zukunft war verschwommen und
unsicher. Aber war ihre denn wirklich besser und sicherer? Schließlich hing
ihr Schicksal nicht wirklich von Cain ab. Er konnte nicht alles kontrollieren.
In Wirklichkeit war auch er ein Gefangener – ein Gefangener des Verbrechens,
an dem er beteiligt war wie die anderen.
Ein
schwaches Licht schimmerte über die östlichen Gipfel, kaum kräftig genug, den
Frost zu schmelzen. Cain bewegte sich, und sie wartete auf den Zug der kalten
Luft, wenn er die Decken zur Seite stieß. Doch die Kälte kam nicht. Neugierig,
was er wohl tun mochte, rollte sie sich herum und begegnete seinem Blick nur
Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Er lag immer noch auf seiner Seite,
hielt mit einer Hand einen der Revolver fest, während der andere unter seinem
dunklen Schopf steckte.
Er war so
nah, daß der Hauch seines
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