Meagan McKinney
Atems ihre Wangen wärmte. Und sie war gefangen wie
ein Vogel im Netz, als sie endlich erkannte, was die Kälte seiner Augen
ausmachte, wie die Farbe seiner Iris in eisblaue
Splitter um die Pupillen herum zerbrach, was den Effekt schuf, daß seinen Augen
jegliche Wärme fehlte, sie gleichzeitig jedoch unendlich anziehender wirken
ließ. Und somit gefährlicher war.
Sie senkte
den Blick, verwirrt durch den Anflug plötzlichen Verlangens. Die geringe
Distanz zwischen ihnen konnte schon durch einen Hauch eines Seufzers überbrückt
werden, konnte ihre Lippen zusammenführen und sie zu einem bebenden Kuß
verführen. Und daß er sie küssen wollte, sagte ihr ihr weiblicher Instinkt. Sie
wußte, daß der Gedanke an einen Kuß seine Gedanken genauso erfüllten wie die
ihren.
Sie sah auf
seine Kehle, wo die furchtbare Narbe oberhalb des roten Halstuches zu sehen
war. Sie wollte es nicht empfinden, doch der erotische Rhythmus seiner
pulsierenden Halsschlagader machte sie nervös. Sie ließ ihren Blick noch ein
Stück tiefer gleiten, erlaubte sich diesmal jedoch nicht, daß das Heben und
Senken seines Brustkorbs wieder eine andere Saite in ihrem Körper anschlug.
Unter dem
Kragen seines Hemdes konnte sie ein weißes wollenes Unterhemd erkennen, das
eine Wäsche bitter nötig hatte. Eigentlich hätte er stinken müssen, aber er
tat es nicht. Ob er nun wirklich reinlicher war als, die anderen Männer, oder
ob sie sich bloß schon an seine Nähe gewöhnt hatte, daß sie die Fähigkeit, ihn
zu riechen, verloren hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Alles, was sie wußte,
war, daß die obersten Schichten seines Geruches fort waren, und sie nun vor
allem seine Essenz wahrnehmen konnte, ein Geruch, der wie der eines Pferdes war
– natürlich, animalisch, hitzig. Vom ästhetischen Standpunkt aus betrachtet,
wäre er nach einem Bad gewiß anziehender – ihnen beiden hätte es gut
getan. Sie konnte sich nicht
erinnern, wann sie zum letzten Mal in heißes Wasser getaucht war oder auch nur
ihr Haar gekämmt hatte. Doch
hier war nun die seltsame, fast unheimliche Macht
dieses Outlaws. Er ließ alles so elementar erscheinen. Das Unwichtige wurde
durch seine Präsenz
überlagert. Er war gefährlich, rücksichtslos und bot Schutz
im gleichen Atemzug. Und vielleicht gerade, weil die Umstände so verzwickt
waren, gab es Momente, in
denen er ihr ganzes Sein auf die Tatsache reduzieren konnte, daß sie beide
schlichtweg menschliche Wesen waren, einzigartig männlich und weiblich. Und
was sie dabei am meisten erschreckte ... es schien auch fast genug zu sein.
Seine Hand
glitt unter ihr Kinn, und sie stöhnte. Er würde sie küssen, und – entsetzlich
genug – auch sie wollte es.
Er hob ihr Kinn und ihre Blicke trafen sich wieder. Sie
sehnte sich nach dem Gefühl seiner rauhen Lippen auf ihrer zarten Haut. Sie
empfand dieses Bedürfnis
als krank, sündig und vollkommen verrückt, aber sie verspürte es, und ihr
Verlangen erstickte sie fast.
»Was denken
Sie, wenn Sie mich so ansehen ... wie jetzt?« flüsterte er.
Ein
Schluchzer ließ ihre Stimme brechen. Sie konnte ihm nur die Wahrheit sagen.
»Ich wünschte, alles wäre anders.«
Seine
Fingerknöchel strichen sanft über ihre Wange, und sie verabscheute sich für die
Reaktion, die seine Berührung in ihr hervorrief.
Cain küßte
sie nicht. Als wüßte er, welchen Schaden er damit anrichten würde, ließ er sie
einfach los, wobei seine Miene ernst und besorgt wirkte. Dann erhob er sich
auf seine Füße und zog die Decke von ihrem Körper. Christal hätte fast
aufgeschrien, als die eisige
Morgenluft über sie strömte und sie gnädig in die Wirklichkeit zurückholte.
Den
ganzen Tag durch
schien Christal ein Ritual zu durchlaufen. Sie kochte eine klägliche Mahlzeit
nach der anderen und servierte sie den Männern. Cain reduzierte jedesmal seine
Ration und teilte die zweite Portion mit ihr. Stets suchte er sich eine
Aufgabe, die ihn in der Nähe des Kamins, also an ihrer Seite, beschäftigt
hielt. Zweimal an diesem Tag nahm er sie bei der Hand und führte sie in die
Wälder. Beide Male johlten die Männer hinter ihnen her, und sie haßte diese
Kerle mit jeder Stunde mehr. Sie als Tiere zu bezeichnen, hieße, Gottes
Kreaturen zu beleidigen. Sie Teufel zu nennen, würde bedeuten, ihnen mehr Geschick
zuzutrauen, als sie jemals besitzen würden. Tatsächlich kam sie zu dem Schluß,
daß diese Bande von Verbrechern einer ganz neue Spezies zuzuordnen waren, von
der sie bisher nur ein einziges
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