Meagan McKinney
und seinen Blick nicht von ihr
ließ.
Als Faulty
endlich den Saloon schloß, schmerzten ihre Füße, und ihre Rippen taten von all
den groben Männerhänden weh. Sie war erschöpft. Cain verließ den Saloon ruhig
und erstaunlich nüchtern, nach all dem Whisky, den er den ganzen Abend in sich
hineingeschüttet hatte. Genauso schweigend, genauso nüchtern
beobachtete sie, wie er ging. Dann ging sie direkt nach oben in ihr Zimmer,
ohne Ivy auch nur beim Spülen der benutzten Gläser zu helfen.
Aber sie
konnte keine Ruhe finden. Dreimal in der Nacht stand Christal auf und trat ans
Fenster, wobei sie ihre Stola gegen den bitterkalten Lufthauch eng um ihre
Schultern zog. Dreimal sah sie Cains Silhouette, der oberhalb des neuen
Gefängnisses bei einer Laterne saß und langsam und nachdenklich seinen Whisky
trank. Als wenn ihn etwas ebenso langsam in den Wahnsinn trieb.
Als die
Nacht in graue Dämmerung überging, schaffte sie es endlich, ein wenig von dem
Schock und dem Entsetzen des Abends zu verarbeiten und ihre Lage zu
akzeptieren. Mitten im Winter Noble zu verlassen, war purer Unsinn. Das Wetter
machte es unmöglich und sogar gefährlich. Sie mußte also erst einmal bleiben.
Aber sie mußte nicht reden. Er würde die Wahrheit gewiß nicht von ihr erfahren.
Die Sonne
ging auf, und der Schlaf holte sie endlich in seine tiefen Schatten. Sie
träumte, die Braut des neuen Sheriffs zu sein. Sie war in weißen Satin und Tüll
gekleidet, und hinter ihr hing Baldwin Didier am Galgen, reglos in der Brise,
die seine stattliche Gestalt hin und her pendeln ließ. Sie hatte den Mann, den
sie liebte, geheiratet. Niemals mehr würde sie Schwarz tragen.
»Kannst
du mir mit dem
Preis nicht ein wenig entgegenkommen?« fragte Christal, während sie den Ballen
himmelblauen Wollstoffs bewunderte. Es war der nächste Tag, und sie hatte ihre
Angst vor dem neuen Sheriff bekämpft und war zu Jan Petersons General Store
hinübergegangen. Nun zog sie die Stola enger um die
Schultern und befeuchtete sich die aufgesprungenen, kalten Lippen, während sie
sich ausmalte, wie schön ein Kleid aus diesem Stoff aussehen würde. Und
wichtiger noch: wie warm es wäre!
Jan
runzelte die Stirn, als er in seinem Buch nachsah, welchen Preis er selbst
dafür bezahlt hatte. Währenddessen schaute sich Christal nervös im Laden um.
Er war voll von Cowboys, die wegen des Schnees nichts zu tun hatten, und
einsamen alten Goldgräber, die sich am Herd aufwärmten, weil sie nicht wußten,
was sie sonst machen sollten. Macaulay war nicht zu sehen, und Christal sprach
ein stummes Dankgebet.
»Ich weiß
nicht, Christal«, sagte Jan und schüttelte seinen blonden, leicht ergrauten
Kopf, während seine kantigen, skandinavischen Gesichtszüge sich zweifelnd
verzogen. »Der ganze Ballen hat mich zehn Dollar gekostet. Wenn du die Hälfte
für fünf willst, sehe ich nicht, wie ...«
»Wenn du
sechs haben willst, kann ich dir dann drei heute und drei in den nächsten
Wochen zahlen?« Sie sah ihn hoffnungsvoll an.
»Meinst du
nicht eher, in den nächsten Monaten? Ich habe schon mal einem von euch Mädchen
eine Kredit gegeben, und warte immer noch auf mein Restgeld.«
Sie strich
mit der Hand über die weiche, kühle Wolle, während ihre Miene eine seltsame
Melancholie ausdrückte. Sie konnte die sieben Goldstücke nicht für
irgendwelchen Luxus verschwenden. Es waren ihre Ersparnisse. Sie würde sie
brauchen, wenn sie Didier finden wollte. Und um vor Macaulay davonzulaufen.
Für diesen Ballen Wolle würde sie also sehr viel tanzen müssen.
Zu viel.
Immer zu viel.
Dabei gab
es einen leichteren, schnelleren Weg. Dixiana und Ivy Rose hatten viele schöne
Kleider.
Langsam zog
sie die Hand fort. »Also gut. Ich bringe dir das Geld, sobald ich es habe.«
Ihre Worte schlossen eine Hoffnung ein, von der sie wußte, daß sie sich damit
selbst etwas vormachte. Diesen Winter würde sie kein warmes, neues Kleid
bekommen.
»Es tut mir
leid, Christal. Ich versuche, ihn für dich zurückzulegen.«
»Danke.«
Sie seufzte, streifte die Handschuhe über und drehte sich um. Sie blickte dem
neuen Sheriff von Noble direkt in die Augen.
»Einen
schönen Tag, Ma'am«, sagte er ruhig und tippte sich an den Stetson. Seine
eisgraue Iris raubte ihr den Atem.
»Guten Tag,
Sheriff.« Sie beeilte sich, an ihm vorbeizukommen, doch er folgte ihr. Bitter
fragte sie sich, warum sie überhaupt versuchte, ihm zu entgehen. Seine
Drohungen am Abend zuvor waren klar genug gewesen: Er würde Noble
Weitere Kostenlose Bücher