Meagan McKinney
du für ihn arbeitest – dazu
ist er zu gutherzig. Ich sehe keinen einzigen vernünftigen Grund, daß du hier
bist und arbeitest. Warum bist du hier, Christal? Warum?«
Tränen
drohten. Sie wagte nicht zu antworten, sie raffte nur weiter ihr Hab und Gut
zusammen und brachte es in der Tasche unter.
Er legte
eine Hand auf ihre und hielt sie auf. Langsam hob er die Hand an und drehte
sie um. Die Narbe leuchetet im Schein der Lampe. Er sah in ihre Augen, in denen
Tränen glitzerten. Die Fragen blieben unausgesprochen.
Gelächter
drang vom Saloon herauf und riß sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Hastig
zog sie ihre Hand fort und begann wieder, wie verrückt zu packen.
Er lachte.
»Was hast du denn vor? Meinst du, du könntest einfach die Stadt verlassen und
weglaufen, wie du es letzten August getan hast?« Er nickte zum Fenster hin, auf
dessen Sims zentimeterhoch der Schnee lag. »Du wirst hier bis zum Frühling
nicht wegkönnen.« Er kam zu ihr und nahm die Tasche an sich. Er stellte sie auf
ihren Ankleidetisch, so daß sie für sie nicht erreichbar war. »Tja, so ist es.
Nur du und ich. Und das für einige Monate, Liebchen ... Das sollte reichen, um
dich bei wem auch immer in Vergessenheit geraten zu lassen.«
»Ich kann
gehen, wann immer ich will.«
»Du wirst
gehen, wenn ich dich lasse.« Sein Lächeln erreichte seine furchtbaren, kalten
Augen nicht. »Ich bin hier der Sheriff, vergiß das nicht. Niemand hier will
mich wütend machen, daß ich vielleicht in
seinen Geschäften herumschnüffel'. Wenn das
bedeutet, man sagt mir sofort Bescheid, wenn du Anstalten machst, zu
verschwinden – um so besser.« Sie starrte ihn mit brennendem Trotz in den Augen
an. Aber sie sah keinen Weg, um aus seiner Falle herauszukommen.
Sie würde im Winter in Wyoming nicht weit kommen. Bis das Tauwetter einsetzte
und er sein Interesse an ihr verloren hatte, blieb ihr nichts anderes übrig,
als sein Spiel mitzuspielen.
»Du hast
nichts davon, wenn du in Noble bleibst. Ich werde die Münze nicht einlösen.«
Sie preßte entschlossen die Lippen zusammen.
»Wenn die
Zeit kommt, brauche ich keine Münze.« Aufs neue brodelte sie vor Zorn, hielt
den Atem an und ging an ihm vorbei, um das Zimmer zu verlassen. Sein Arm schoß
vor, um sie festzuhalten.
»Ich habe
Kunden«, sagte sie durch zusammengebissene Zähne.
»Als Faulty
andeutete, eines seiner Mädchen würde sich um mich kümmern – ganz legal,
versteht sich – , sagte ich ihm, ich hätte dieses Mädchen dann ganz gern für
mich allein. Das war ein Teil unserer kleinen Abmachung.«
Sie konnte
ihre Wut kaum noch zügeln. »Ich verkaufe Tänze. Sonst nichts!«
»Fein. Also
wirst du sowieso mit keinem anderen schlafen. Faulty wird bestimmt ein Auge auf
dich haben. Mittlerweile weiß er ja, daß du mir gefällst.«
»Woher soll
er das schon wissen?«
Er stieß
ein freudloses Lachen aus. »Was wird er wohl glauben, was wir hier oben machen?
Reden?« Er warf den Kopf zurück und lachte nur noch mehr.
Sie hätte
am liebsten zugeschlagen. Mit tiefer, langsamer Stimme sagte sie: »Ich weiß
nicht, warum du hergekommen bist, aber ich schwöre dir, du wirst diesen Tag
noch bereuen. Wenn du dich die nächsten Monate hier aufhalten willst, dann
verspreche ich dir, daß ich dir deine Zeit so unangenehm wie möglich machen
werde.«
Er faßte
ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Ja, bitte. Mach mir mein Leben
unangenehm. Ich bin kein Vollidiot. Ich habe schon bemerkt, daß du dich erst
dazu entschlossen hast, mich nicht mehr zu mögen, als ich meinen Marshalstern
angesteckt habe. Als du mich für einen verfluchten Verbrecher hieltest, hast du
dich nicht annähernd so abweisend benommen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich
zu prostituieren, Mädchen.«
Bevor sie
sich zurückhalten konnte, hatte sie ihm schon ins Gesicht geschlagen. Ihre
Aggressivität entsetzte sie selbst – es brachte ihr keine Erleichterung. Es
war nicht das gewünschte Ventil gewesen, Zorn und Schmerz waren stark wie
zuvor. Die Tränen kamen, ohne daß sie es verhindern konnte, vielleicht, weil
er sie gefunden hatte, vielleicht aber auch, weil sie dieselbe Verweiflung
verspürte, die sie empfunden hatte, als sie in Mr. Glassies Kutsche gestiegen
war und ihn verlassen hatte.
Er rieb
sich die Wange, Zorn funkelte in seinen Augen. »Christal, erzähl mir doch
einfach, warum du letzten August verschwunden bist, und ich verlasse dieses
Dreckloch auf der Stelle.«
»Ich
erzähle dir überhaupt nichts«,
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