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Meagan McKinney

Meagan McKinney

Titel: Meagan McKinney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: VA1 - Der Gigant und die Lady
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fünfzehn gewesen,
Christal zwölf. Christal hatte das Foto mitgenommen, als sie aus New York
geflohen war. Es war das einzige Andenken an ihre Familie. Das Foto war in der
Tasche gewesen, die Kineson und seine Männer geplündert hatten, nachdem sie
sie vom Kutschdach heruntergeholt hatten.
    »Du hast
mir mein Geld zurückgegeben. Und jetzt dies. Wo ist denn der Rest von meinen
Sachen?« fragte sie und versuchte dabei, ihre Stimme so ruhig wie möglich zu
halten.
    »Ich kann
Rollins telegraphieren, sie herüberschicken zu lassen. Es ist nicht viel.«
    »Was
Kineson mir gestohlen hat, war alles, was ich besitze.«
    »Du hättest
all dein Habe und fünfhundert Dollar haben können, wenn du nur einen einzigen
Tag länger in Camp Brown geblieben wärest. Nun wirst du deine Sachen bekommen,
wenn es an der Zeit ist.« Seine Hand lag auf ihrer Schulter. Um sie zu trösten,
um sie einzuschüchtern ... sie wußte es nicht. »Erzähl mir von dem Bild.«
    Sie starrte
auf das Foto. »Warum hast du das mitgebracht, den Rest meiner Sachen aber
nicht?«
    »Ich bin
kein Bote. Es war das Bild, das mich interessiert hat.«
    Seine Hand
glitt zu ihrer. Langsam streifte er ihr den Handschuh ab. Ein Impuls war, ihre
Hand sofort wegzuziehen, ein anderer sagte ihr, nichts zu tun und sich nicht
auffällig zu benehmen. Ohne einen Blick auf die Narbe zu werfen, umschloß er
ihre Hand mit seiner. Die Wärme auf ihrer Haut jagte ihr einen angenehmen
Schauer über den Rücken.
    »Erzähl mir
davon«, flüsterte er mit lockender, tiefer Stimme. »Das Mädchen neben dir muß
deine Schwester sein. Sie sieht dir ähnlich. Wie heißt sie?«
    »A ...« Sie
schloß den Mund, unfähig, den Namen hervorzubringen. Sie konnte es ihm nicht
sagen. Nur eine solche Kleinigkeit preiszugeben, konnte schon das Aus bedeuten.
    »Wer ist
Sarony?«
    Sie blickte
starr auf das Foto. Der Name Sarony stand in der unteren rechten Ecke
geschrieben. Napoleon Sarony war der erste Daguerreotypist in New York. Allein
das Foto machen zu lassen, war ein bedeutsames Ereignis gewesen. Es gab nicht
viele Mitglieder ihrer Gesellschaftsklasse, die für eine Daguerreotypie
gestanden hatte. Knickerbocker ließen ihre Portraits von großen Malern wie
Stuart oder Copley anfertigen. Die moderne Darstellung durch Fotografie war etwas,
das die meisten Mitglieder der Oberschicht als flüchtig und ordinär
verachteten. Nichtsdestoweniger hatte ihre Mutter darauf bestanden, daß die
beiden Van-Alen-Mädchen fotografiert wurden.
    Saronys
Studio befand sich ganz oben in einem vierstöckigen Gebäude mit großen Scheiben
aus La Farge-Glas und Oberlichtern, die den Raum mit Sonnenschein
durchfluteten. Das Studio war ohnehin schon ein schöner Ort, aber was ihr
Kinderherz wirclich gefangen hatte, war Saronys Sammlung von Exotica.
Leopardenfelle lagen auf dem Boden, Palmen in Töpfen wuchsen über die
Türrahmen, und in einer Ecke standen persische Sofas, die mit rot-purpurnen
Stoffen überzogen waren. Ebenso besaß Sarony einen ungewöhnlichen fuchsroten
Affen, den er Orang-Utan nannte, und dem man beigebracht hatte, wartende
Kunden mit einem großen Straußenfeder-Fächer zu kühlen.
    Sie mußte
bei dieser Erinnerung lächeln. Ihre Mutter hatte den Mann für verrückt
gehalten, ging aber dennoch nicht von ihrer Idee des Fotos ab. Sie schluckte
den Kloß in ihrer Kehle hinunter, zwang sich, wieder auf das Bild zu sehen.
Beide Mädchen trugen elegante, umbrafarbene Satinkleider, was auf ihre edle
Familienherkunft hinwies.
    Ihre
Schwester Alana, obwohl kaum sechzehn, wirkte ruhig und ernst, ja fast
königlich. Christal allerings überhaupt nicht. In ihren Augen lag solch ein
schelmische Funkeln, so daß sie sich unwillkürlich fragte, ob es auch jetzt
noch da war und wieder sichtbar würde, sobald sich ihr Schicksal zum Guten
wandte.
    Sie
versuchte zu verbergen, wieviel das Foto ihr bedeutete, aber es machte ihr
Mühe, denn sie konnte sich jede Einzelheit jenes Tages noch in Erinnerung
rufen. Sie wußte noch genau, daß sie leichte Furcht verspürt hatte, als Mr.
Sarony die ganze Maschinerie vor ihnen aufgebaut hatte. So als hätte sie Angst
gehabt, daß die Magie der Aufnahme ihr etwas nehmen
würde, was sie niemals zurückbekommen konnte. Doch als sie schon entschlossen
war, das Bild zu ruinieren, hatte Alana ihre Hand genommen und sie sich in den
Schoß gelegt, weil ihr schwesterlicher Instinkt ihr gesagt hatte, daß Christal
ermutigt werden mußte.
    Selbst
jetzt noch konnte Christal das Bild von

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