Meagan McKinney
Knickerbocker
Saving Bank stürzte dem Konkurs entgegen, als man sich erzählte, daß ihre
Investition in die Hudson Railroad Verlust gebracht hätte. Am Ende waren es
Gier und Dummheit, nicht Trevor Sheridan, die die Knickerbocker-Gesellschaft
niederwarfen. Immer wieder wurden sie Opfer der launischen Geliebte der Börse –
der Illusion von Reichtum!
Der letzte
Schlag Sheridans fand an einem stürmischen Apriltag statt, als der letzte
Schnee des Jahres den Central Park mit einer weißen, pudrigen Schicht bedeckte.
Trevor saß am Kamin und las gerade die Abendausgabe des New York Chronicle, als
Eagan hereinplatzte. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, seinen
Mantel abzulegen, auf dessen Schultern die Schneeflocken schimmerten.
»Lieber
Gott, hast du schon gehört?« Eagan zog die Tür hinter sich zu.
»Du hast ja
noch nicht mal Whittaker deinen Hut gegeben«, kommentierte Trevor, der von
seiner Zeitung aufsah.
Trevor nahm
seinen schwarzen Zylinder ab und ließ den Schnee auf der Krempe auf dem
Kaminsims schmelzen.
»Ich komme
gerade vom Commodore Club. Du glaubst nicht, was da los ist. Jede Mietdroschke
von hier bis zur 42. Straße ist angetrabt, um Männer zum Telegraphenamt zu
karren. Sie telegraphieren nach Chicago... und du glaubst nicht, was sie
aufkaufen wollen!«
»Waren.
Kartoffeln und Kohl, um es genau zu sagen!«
Eagan hielt
verdutzt inne. »Woher weißt du das?«
Sheridan
hob eine Augenbraue und wandte sich dann gemächlich wieder seiner Zeitung zu.
»Es geht ein Gerücht, daß der Schädlingsbefall in Irland dieses Jahr früh
einsetzt.«
»Schädlingsbefall?
Schon? Ich verstehe nicht, was...« Eagan unterbrach sich. Und dann erstickte er
fast daran, sein Lachen zu unterdrücken. Er brauchte einige Minuten, bis er
wieder in der Lage war, einen einfachen Satz zu formulieren. »Kartoffeln?
Kohl? Verdammt noch mal, Trevor, ich hätte es nie für möglich gehalten,
aber du hast tatsächlich einen Sinn für Humor!«
Trevor
ignorierte das zweifelhafte Lob seines Bruders und bat ihn statt dessen:
»Reich mir doch bitte die Liste dort auf meinem Tisch, ja?«
Eagan nahm
das Papier von dem schweren, reich verzierten Schreibtisch. »Was ist das?«
»Streich
die Namen De Harinck, der Burch, Wynkoop.« Sheridan sah zu, als Eagan es tat.
»So«, sagte er dann. »Sind noch irgendwelche Namen übrig?«
»Nur noch
van Alen.«
Sheridan
lehnte sich bequem in seinem Sessel zurück und gab vor, weiterzulesen. Wie
beiläufig murmelte er: »Oh, ja, das hätte ich fast vergessen. Streich diesen
Namen auch von der Liste.«
4
Alana bemerkte die versteckten Blicke der
Diener kaum, als man ihr aus dem braunen Coupé der van Alens half. Wenn es
nicht so heftig geregnet hätte, wäre ihr bei diesen vorsichtigen Blicken sicher
eine dumpfe Vorahnung gekommen, so aber waren ihre Gedanken ganz woanders, als
man sie unter dem riesigen Schirm zur Vordertür ihrer Residenz geleitete. Sie
dachte an eine andere drohende Katastrophe.
An diesem
Abend hatte mal wieder einer dieser ermüdenden Montagssoirées bei Mrs. Astor
stattgefunden. Für einen Abend, der zur Vergnügung gedacht war, konnte Alana
daran wahrhaftig kaum etwas »Vergnügliches« finden. Mrs. Astor hatte unablässig
von »jenem elenden Iren« und seinen »üblen Machenschaften« gesprochen, während
die Männer direkt nach dem Essen in die Bibliothek übergewechselt waren, wo
sie, wie Alana annahm, wahrscheinlich Flüche ausgestoßen hatten, die selbst
Mrs. Astors Stallburschen die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten.
Ja,
Sheridan hatte die Knickerbocker-Gesellschaft hart getroffen. Doch ihr
finanzieller Ruin war nicht zu vergleichen mit ihrer Wut über die schmählichen
Demütigungen, die sie hatte erleiden müssen. Alana hatte gehört, daß einige der
elitären Truppe sogar von Schuldeneintreibern belästigt. worden waren, nachdem
sie enorme Summen in Fehlinvestitionen verloren hatten. In ihren Kreisen war so
etwas unerhört. Alana hätte sicher an diesem Bild Gefallen gefunden, wie das
alte ehrwürdige Geld durch einen ordinären Geldhai eingetrieben wurde, wenn sie
nicht mit Sicherheit gewußt hätte, daß auch sie zum Opfer werden würde.
Schließlich
war auch sie eine Knickerbocker. Sicher, sie hatte fest vorgehabt, zu Maras
Debüt zu kommen, aber das wußte Sheridan nicht. Und obwohl er einige Familien
in Ruhe gelassen hatte – weil er dafür sorgen wollte, daß überhaupt noch eine
Gesellschaft existierte, die Mara akzeptieren konnte,
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