Meagan McKinney
und die Astors
verschonte, weil er angeblich Willy B. bewunderte –, hielt es Alana nur für
eine Frage der Zeit, wann das Geld der van Alens an die Reihe kommen würde.
Tief in
ihrem Inneren konnte sie die Gründe für Trevor Sheridans Wut nur zu gut
verstehen. Die Grausamkeit von Maras gescheitertem Debüt nagte auch noch an
ihr. Doch so stark ihr Mitgefühl auch war, empfand sie Sheridans Rache doch als
zu heftig und zu rigoros, um ihm vergeben zu können. Auch sie hatte eine
Schwester, die sie liebte, aber nur ein Wahnsinniger würde derart weit gehen,
um die Leute zu vernichten, die er für seine verletzten Gefühle verantwortlich
machte. So war Alana zu dem Schluß gekommen, daß Trevor Sheridan entweder
verrückt war, oder
daß es im Zusammenhang mit Maras Debüt noch etwas anderes gab, das ihn mehr
getroffen hatte als nur das Ausbleiben der Gäste.
Nun, da sie
im strömenden Regen aus der Kutsche stieg, fühlte sich Alana von ihren Sorgen
beinahe zu Boden gedrückt. Der Abend war eine Qual gewesen, und während sie
Sheridans Zorn schon in ihrem Nacken spürte, mußte sie sich auch noch zusammenreißen,
um nichts zu sagen, was Mrs. Astor reizte – zum Beispiel, daß die Männer, die
in Willy B.'s Bibliothek ihre Wunden leckten, durchaus selbst Schuld waren.
Aber natürlich durfte sie das nicht. Didier hatte ihr nur zu deutlich zu
verstehen gegeben, daß es um ihrer Schwester willen wichtig war, ihre Stellung
in der Gesellschaft zu halten. Dennoch sehnte sie sich danach, aus der Rolle zu
fallen, und als sie an diesem Abend all die haßerfüllten Menschen betrachtete,
die absichtlich alle Hoffnungen einer unschuldigen Sechzehnjährigen zerstört
hatten, hatte sie Mühe, sich zurückzuhalten.
Müde ließ
sie sich vom Butler das Cape abnehmen und zupfte an den Fingern ihrer
hautengen Ziegenlederhandschuhe, um sie abzustreifen. Dann begann sie, die
sechzehn Knöpfe an ihren Handgelenken zu öffnen, während sie langsam das mit
dicken Teppichen ausgelegte Foyer durchquerte. Sie war so in Gedanken verloren,
daß sie die leuchtenden blauen Augen nicht bemerkte, die sie vom Salon aus
beobachteten. Der Blick glitt über ihren Körper und nahm jedes Detail ihrer
kostspieligen Ausstattung auf – vom pfirsichfarbenen Kleid bis zu den Perlen,
die in ihrem Nacken ins Haar geflochten waren. Der Anblick des ganzen
Reichtums machte den Betrachter plötzlich so wütend, daß er aufsprang und sein
Cognacglas von der Lehne seines Sessels stieß.
»Alana!«
Die wütende
Stimme ihres Onkel ließ Alana herumfahren. Didier stand in der Flügeltür zum
Salon, und seine
drohende Gestalt war halb in den Schatten verborgen,
die durch den Gaskronleuchter erzeugt wurden. Sie hatte stets Angst vor ihm
gehabt, aber nun
verursachte ihr sein Schweigen pures Entsetzen.
Sie wußte
instinktiv, daß er den weiten Weg von seinem Hotel in der Fifth Avenue
unternommen hatte, um mit ihr
über Sheridan zu sprechen. Er würde ihr gleich
sagen, daß sie ruiniert waren. Und obwohl ihre erste Reaktion reine Panik war,
verspürte sie als nächstes
eine seltsame Erleichterung. Nun war also endlich die Axt gefallen, und sie
konnte beginnen, die Scherben wieder aufzusammeln.
»Onkel
Baldwin. Was machst du denn zu dieser späten Stunde noch hier?« fragte sie,
obwohl sie es längst
wußte. Aus den Augenwinkeln warf sie einen Blick auf
die Bediensteten, die ihr aus der Kutsche geholfen hatten. Margarets Mann
Kevin, der Lakai, senkte
schnell die Augen, und sogar Pumphrey, sonst die Perfektionierung der
dienstbaren Zurücchaltung, schien stumm zu flehen, sich entfernen zu dürfen.
Sie alle wußten, daß etwas geschehen würde. Und sie wußten auch, daß es nichts
Gutes war.
»Komm hier
rein«, befahl Didier, wobei er versuchte, seine Trunkenheit durch exakte
Artikulation und tadellose Haltung zu verbergen. Sogar seine dunkelblaue
Krawatte hing so gerade wie ein Stock.
Alana war
auf das Schlimmste gefaßt. Ihr Onkel war voller Zorn. Mochte Sheridan auch der
Grund dafür sein, sie wußte, sie war es, die bezahlen mußte. Es lag
in dem Glitzern dieser unglaublich eisblauen Augen.
Sie reichte
Kevin ihre Handschuhe, und für den Mann sprach, daß er offenbar am liebsten
vorgetreten wäre, um sie aufzuhalten, womit Mrs. Astors Theorie widerlegt war,
die besagte, es gäbe keine Ritterlichkeit in der Arbeiterklasse. Doch gerade
als er sich in Bewegung setzen wollte, schüttelte Alana fast unmerklich den
Kopf. »Ich muß mich der Sache stellen«, flüsterte sie
Weitere Kostenlose Bücher