Medaillon des Schicksals (German Edition)
Vergebung zuteil.
Die Liebe, dachte auch Rosaria. Kann die Liebe Gottes mich wirklich retten? Ich werde meine Schuld bekennen, werde bereuen und Buße tun.
Von der Kanzel beschwor der Priester die Gemeinde, rief zu Besinnung und Umkehr auf. Er flehte seine Schäfchen an, auf Gottes Wort zu hören, ihm und nur ihm zu vertrauen. Er bat, bettelte, drängte, flehte, und die Gläubigen, die nun wussten, dass sie ihr Glück in den eigenen Händen hielten, wünschten nichts mehr, als zu beschwören, dass sie verstanden hatten und zur Umkehr bereit waren.
Doch dem Priester auf der Kanzel wares noch nicht genug der Reue.
»Kehrt um, ehe es zu spät ist!«, brüllte er nun wieder und ließ mit seinem Getöse die Versammelten erneut erschauern. Dann schwieg er, ließ den Blick aus seinen kleinen, zusammengekniffenen Augen über die Anwesenden schweifen und verkündete mit sich überschlagender Donnerstimme: »Zeigt Reue. Fangt noch heute an.«
Dann eilte er, so schnell ihn seine Fettleibigkeit ließ, die Treppe hinunter und verteilte die Klingelbeutel.
Drohend wie Gott der Allmächtige selbst stand er vor seiner Gemeinde und verfolgte mit Argusaugen, wie ein jeder in seinem Beutel kramte und großzügig jeden Scudi, der erübrigt werden konnte, mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung in den Klingelbeutel warf. Sein Blick verharrte durchdringend auf der jungen Frau, der die Tränen über das Gesicht liefen. Sie hatte nur eine Münze gegeben, doch der strenge Blick des Priesters sagte ihr, dass damit der Weg zur Umkehr noch lange nicht beschritten war. Mit einem tiefen Seufzer nahm sie die schmale Goldkette vom Hals und ließ auch diese in den Beutel gleiten. Als sie das Nicken des Priesters sah, huschte Erleichterung über ihre Miene.
Auch Rosaria schüttete in den Beutel, was sie an Münzen bei sich hatte. Doch sie besaß keinen Schmuck, hatte weder eine Kette, noch Ringe, Armbänder oder Ohrgehänge, sodass der Kirchenmann schließlich das habgierige Glitzern in seinen Blicken auf ein altes Mütterchen richten musste, das eilig die Ohrringe abnahm und in den Beutel warf.
Erst als wirklich jeder etwas in den Klingelbeutel geworfen hatte und der Kirchendiener die schwere Kollekte eilig auf den Altar gelegt hatte, breitete der Priester erneut seine Arme aus und spendete der Gemeinde seinen Segen. Kaum war das letzte Wort gesprochen, erhoben sich die Mütterchen und liefen wie gehetzt aus dem Gotteshaus, froh, sich nun ohne Sündenlast ihrem Tagwerk zuwenden zu können.
Nur die junge Frau blieb noch und wartete darauf, dass der Geistliche den hölzernen Beichtstuhl betrat und den dunkelvioletten Vorhang zur Seite zog, zum Zeichen, dass er bereit war, die Sünden anzuhören und stellvertretend zu vergeben.
Auch Rosaria hatte sich vor dem Beichtstuhl eingefunden, doch jetzt, während die junge Frau flüsternd darinnen ihre Verfehlungen bekannte, begann sie zu zweifeln. Der Priester hatte ihr Angst gemacht. Seine Worte von Sünde und Umkehr waren direkt in ihr Herz gedrungen. Sie wusste um ihre Schuld, doch sie konnte die Nacht mit Raffael nicht als Schuld empfinden. Das Einzige, was Rosaria sich in dieser Hinsicht selbst vorwarf, war, dass sie Raffael nicht so liebte, wie eine Braut ihren Bräutigam lieben sollte. Darin lag ihre Schuld, allein darin. Sie hatte sich ihm nicht aus Liebe hingegeben, sondern aus purer Wollust. Eine der sieben Todsünden hatte sie begangen. Gab es dafür von der Kirche Vergebung?
Die junge Frau verließ nun den Beichtstuhl, und Rosaria war an der Reihe. Sie tippte ihre Finger in das Weihwasser, bekreuzigte sich, kniete in dem Stuhl nieder und sagte: »Vater, ich habe gesündigt.«
»Bekenne deine Schuld, mein Kind.«
Und Rosaria bekannte ihre Schuld, beichtete, was in der letzten Nacht geschehen war, beichtete auch ihre Lust und die fehlende Liebe. Als sie fertig war, glaubte sie, den Priester leise kichern zu hören.
»Du hast keine Todsünde begangen, mein Kind, wenn du bereit bist, den Mann zu heiraten. Doch merke dir: Die Lust ist nicht Sache der Frau. Deine Aufgabe ist es, Kinder zu schenken.«
Rosaria nickte.
»Ich habe verstanden, Monsignore.«
»Du wirst zur Strafe zehn Rosenkränze beten, taglieh bis zur Hochzeit kalte Waschungen vornehmen und den Lohn deiner Tagesarbeit heute Abend in die Sakristei bringen. Hast du das getan, ist dir deine Schuld vergeben.«
Rosaria war bereit, Raffael zu heiraten. Sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, und war gewillt, dieses
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