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Medaillon des Schicksals (German Edition)

Medaillon des Schicksals (German Edition)

Titel: Medaillon des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Thorne
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wusste Raffael, waren noch immer ganz woanders. Und er konnte sich denken, wo.
    Raffael hatte Recht. Immer und immer wieder sah Rosaria Giacomo vor ihrem inneren Auge. Giacomo, der sie beim Tanz so sanft und zärtlich streichelte. Giacomo, der sie unter der Esche küsste und damit das Feuer des Begehrens mit einem einzigen Kuss in ihr entfachte. Giacomo, der ihr den Trank reichte, den sie schluckte und wie den süßesten Honig durch die Kehle gleiten ließ. Giacomo, der ihr vertraut war, als hätte sie ihn schon ihr ganzes Leben lang gekannt. Nein, vertrauter. Vertrauter auch als Raffael. Es war, als hörte sie in seinen Worten das Echo ihrer eigenen Stimme, sähe in seinen Augen den Spiegel ihrer Seele und schöpfte aus seinem Mund den Atem, den sie zum Leben brauchte. Noch nie hatte sich Rosaria jemandem so nahe gefühlt. Giacomo war derjenige, nach dem sie ihr Leben lang gesucht hatte: eine verschwisterte Seele, ein Mann, der ihr ähnlich war, aber doch voller Geheimnisse. Ein Mann, dessen Geruch sie schwindlig machte, Hände, die ihren Körper in Flammen setzen konnten.
    Ein Mann aber auch, der für sie so unerreichbar war wie der Mond für die Sonne. Sie seufzte tief und wischte sich verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln.
    Sie wusste, wenn sie Giacomo auch niemals lieben durfte, so war sie doch für die Liebe zu einem anderen Mann für immer verloren. Giacomo di Algari hatte sich in ihr eingenistet, als wäre er ein Teil von ihr. Sie trug ihn im Herzen und unter der Haut und wusste, dass sich das niemals ändern würde.
    Und Raffael? Bestahl sie ihn nicht um sein Liebesglück, wenn sie ihn zum Manne nahm? Raubte sie ihm nicht die Chance, zu lieben und – vor allem – wiedergeliebt zu werden? Es wäre selbstsüchtig, wenn sie ihn zum Manne nähme, ohne ihn je lieben zu können. Rosaria fühlte Verantwortung für den Gefährten aus Kindheitstagen. Sie liebte ihn wie einen Bruder und wollte, dass er glücklich wurde. Sie konnte ihm nicht schenken, was er begehrte. Also durfte sie nicht seine Frau werden.
    Rosaria seufzte. Würde er es verstehen, wenn sie ihm erklärte, dass die Hochzeit nicht stattfinden könnte? Nicht stattfinden könnte auch um seinetwillen?
    Viele Stunden beschäftigte sich Rosaria mit diesen Gedanken. Langsam ging der Nachmittag in den Abend über. Die Dämmerung webte ihr graues Kleid und bedeckte damit die lieblichen Hügel. Rotglühend fiel die Sonne dem Horizont entgegen, vergoldete im Fallen die Blätter der Weinstöcke, die Olivenhaine, verlieh den schwarzen, schlanken Zypressen einen letzten Glanz.
    Rosaria fühlte die Müdigkeit in sich hochsteigen. Sie waren lange geritten, viele, viele Meilen. Inzwischen waren sie so weit von der Burg di Algari entfernt, waren so viele Umwege und Abzweigungen geritten, dass sie fest daran glaubte, die Verfolger abgeschüttelt zu haben. Ihr Kleid war schwer vom Straßenstaub, das Haar hing ihr in unordentlichen Strähnen im Gesicht, zwischen den Zähnen spürte sie Sand. Ihr Körper schmerzte, die Schenkel zitterten vor Anstrengung, wenn sie damit den Druck auf den Pferdeleib erhöhte, um das Tier anzutreiben. Ihre Hände vermochten die Zügel kaum noch zu halten. Rosaria sehnte sich nach einem erfrischenden Bad, nach einer Mahlzeit, einem Krug Wein und nach Schlaf. Viel Schlaf. Am liebsten, so dachte sie, würde sie nie mehr aus dem Schlaf erwachen. Was hielt das Leben noch an Freuden für sie bereit? Die Mutter verloren, den Geliebten verloren, vielleicht auch bald den Freund. Allein war sie auf der Welt, ganz allein, und alle Wünsche, die eine junge Frau in ihrem Alter hegte, würden für sie nie in Erfüllung gehen. Niemals würde sie die Freuden der Mutterschaft auskosten, sich nie einem Mann in Liebe anvertrauen können.
    Monat um Monat, Jahr um Jahr würde sie mit der Kolonne durch das Land ziehen und Olivenöl verkaufen. Im Winter die Ernte, die Herstellung des Öls und der Salben, im Sommer das Umherreisen und der Verkauf.
    Sie würde älter werden, dann alt und schließlich sterben, ohne je das Wichtigste im Leben, die Liebe, kennen gelernt zu haben. Bei diesen trüben Aussichten, die sich plötzlich klar und unabwendbar vor ihr auftaten, traten ihr die Tränen in die Augen.
    Es sind die Müdigkeit und die Erschöpfung, die mich weinen machen, tröstete sie sich und rief Raffael, der ein kleines Stück vor ihr ritt und seit der ersten Rast nur selten das Wort an sie gerichtet hatte.
    »Raffael, lass uns ausruhen. Wir sollten ein

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