Medaillon des Schicksals (German Edition)
ihn nicht zu heiraten, berichtet hätte. Doch nun war es zu spät. Sie musste ihm jetzt sagen, was sie vorhatte. Sie war es ihm schuldig. Schuldig als Freundin, als Gefährtin der Kindertage.
Sie seufzte tief und betete in Gedanken zur Madonna, ihr die notwendige Kraft und Raffael die notwendige Einsicht zu schenken.
»Raffael«, sagte sie dann leise und griff im Dunkeln nach seiner Hand. »Raffael, ich kann nicht deine Frau werden. Die Hochzeit findet nicht statt. Nicht jetzt und nicht später. Nicht in Florenz und auch nicht an einem anderen Ort.«
Sie fühlte, wie Raffael erstarrte. Ganz steif saß er da, und seine Hand fühlte sich in ihrer wie ein lebloses Stück Holz an.
»Was sagst du da, Rosaria? Was soll das?«, fragte er mit rauer, heiserer Stimme, von der etwas Bedrohliches ausging.
»Ich liebe dich nicht, wie eine Frau ihren Mann lieben sollte«, sagte sie leise. »Ich kann dir nicht das geben, was du dir wünschst, kann dich so nicht lieben, dich nicht begehren.«
Sie schwieg und wartete auf ein WTort, auf ein Zeichen von Raffael. Doch dieser verharrte noch immer wie erstarrt. Seine dunklen Augen schienen zu brennen, doch es war kein wärmendes Feuer.
»Versteh doch«, bat sie ihn. »Wenn ich dich heirate, wirst du immer hungrig bleiben. Findest du aber eine andere Frau, die dich ebenso liebt wie du sie, dann wirst du mit ihr glücklicher werden, als du es mit mir je sein kannst. Ihr werdet euch lieben, werdet Kinder haben, werdet zusammen erwachen und zusammen einschlafen. Mit mir geht das nicht. Niemals. Es ist nicht wahr, dass die Zeit alle Wunden heilt. Die Wunde, die mir auf der Burg di Algari beigebracht wurde, wird mein Leben lang schmerzen und dir sehr bald schon die Freude an mir vergällen, das Leben mit mir bitter und trübselig machen.«
Raffael spürte die Wut wie eine Welle glühender Lava in sich hochsteigen. Er konnte nicht mehr klar denken, nichts mehr hören oder sehen. Alles in ihm war Wut. Eine Wut, die dröhnend durch sein Inneres tobte, alle anderen Gefühle, alle Gedanken erstickte. Eine Wut, die so grenzenlos war, dass sie ihn zu zerreißen drohte, wenn er ihr nicht nachgab, auf der Stelle nachgab. Er würde sich Rosaria nehmen. Sie war ihm versprochen. Und wenn sie nicht wollte, nun, so musste er sich halt mit Gewalt nehmen, was ihm gehört.
Wie von Sinnen warf er sich herum, drückte die Frau mit dem Gewicht seines Körpers ins Gras.
»Du gehörst mir«, zischte er. »Niemand wird daran etwas ändern.«
»Raffael, lass das. Lass mich los, du tust mir weh«, bat Rosaria und versuchte, sich unter den festen Griffen des Mannes, der ihre Handgelenke wie Schraubstöcke umklammert hielt und fest auf den Boden drückte, zu befreien. Doch ihre Worte erreichten ihn nicht, rauschten an ihm vorüber wie der laue Nachtwind. Sie sah wieder das Feuer in seinen Augen, das Feuer des Jähzorns, der nicht zu besänftigenden Rage.
Wild sah er aus, wie ein Raubtier, das im Begriff ist, die Zähne in seine Beute zu schlagen.
»Du gehörst mir«, wiederholte er und drückte sie noch fester zu Boden.
»Hör auf!«, schrie Rosaria laut und gellend, doch niemand hier hörte sie.
Sie bekam Angst. Angst vor Raffael, den sie so nicht kannte, so noch nie erlebt hatte.
Wie eine Schlange wand sie sich unter ihm, versuchte seinem klammernden Griff zu entkommen. Vergeblich.
Als hätte die Wut auch jegliche Beherrschung, jegliche Menschlichkeit aus Raffael gewischt, schrie er sie an, schrie seine ganze Kränkung, seinen ganzen verletzten Stolz heraus.
»Du bist eine Hure, Rosaria. Tändelst mit allen, die dich ansehen. Eine Hure bist du, und wie eine Hure werde ich dich von nun an behandeln.«
Er griff nach ihrem Brusttuch und riss es wütend in Fetzen. Dabei musste er Rosarias Arm fahren lassen. Die junge Frau ergriff ihre Chance und schlug dem Rasenden so fest sie konnte ins Gesicht.
Hatte sie gehofft, der Schlag werde ihn zur Vernunft bringen? Dann hatte sie sich getäuscht.
Wenn es möglich war, Raffaels Wut noch zu steigern, in blanken Hass und Wahnsinn umschlagen zu lassen, so hatte sie das mit diesem Schlag erreicht.
Keuchend riss er an ihren Röcken und hielt sie mit seiner anderen Hand fest umklammert. Seine Augen rollten gefährlich. Noch immer versuchte Rosaria, sich zu befreien. Sie hatte Angst, große Angst und fühlte sich so ausgeliefert und hilflos wie nie in ihrem Leben. Sie hatte Raffael vertraut, hatte sich geborgen gefühlt bei ihm. Die Enttäuschung, die Angst waren so
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