Medaillon des Schicksals (German Edition)
groß, dass Rosaria in hemmungsloses Schluchzen ausbrach.
»Lass mich, Raffael, bitte!«, flehte sie, doch der rasende Mann hörte sie nicht. Noch immer riss er an ihren Röcken. Wild hingen ihm die Haare in die Stirn, sein Mund war halb geöffnet, spie keuchende Laute aus, und sein Gesicht wirkte wie eine Teufelsfratze. Alle Züge waren entstellt von dieser ungeheuren Wut, von diesem nicht zu zügelnden Bedürfnis, Rosaria wehzutun, so wie sie ihm wehgetan hatte. Sie hatte ihn verletzt, tief verletzt. Nun sollte sie diese Schmerzen am eigenen Leib zu spüren bekommen. Strafen würde er sie. Demütigen, wie nur ein Mann eine Frau demütigen konnte. O ja, er würde sie gefügig machen. Beweisen würde er ihr seine Manneskraft, seine Stärke.
Wild zerrte er an seiner Hose, riss sie sich vom Leib und wollte mit harten Händen ihre Schenkel spreizen. Rosaria lag wehrlos unter ihm, und ihre Hände tasteten nach links und rechts, suchten nach etwas, das Raffaels Handeln Einhalt gebieten konnte. Tränen liefen ihr über das Gesicht, und ihre Schreie waren in leises Wimmern übergegangen.
»Bitte nicht, Raffael. Bitte, ich flehe dich an. Raffael!«, wimmerte sie, doch wieder erreichte sie ihn nicht.
Schon hatte er ihre Schenkel auseinandergedrückt, schon die Hände neben ihrem Kopf aufgestützt, schon näherte er sich ihrem Schoß, da endlich ertastete ihre Hand etwas Wuchtiges. In höchster Not griff sie danach, holte aus und ließ das schwere Holzstück auf seinen Kopf niedersausen.
Im nächsten Moment brach der Mann über ihr zusammen. Rosaria lag keuchend da, noch immer ganz benommen vor Angst, und spürte warmes Blut über ihre nackten Brüste laufen.
Zutiefst angewidert wand sie sich unter Raffael hervor, nahm sich nicht einmal die Zeit, ihre Röcke, ihr Kleid zu richten, sondern lief in die Nacht, so schnell ihre Füße sie tragen konnten.
Rosaria floh. Sie floh nicht nur vor Raffael und seiner unbändigen Wut, sie floh nicht nur vor ihren Verfolgern, die sie dem Flammentod auf dem Scheiterhaufen aussetzen wollten, nein, Rosaria floh auch vor dem Leben, das sie so nicht mehr wollte, das sie so nicht mehr ertragen konnte.
Sie rannte, bis sie am höchsten Punkt eines Hügels angekommen Avar. Hastig hob und senkte sich ihre Brust, das Herz klopfte, als wollte es aus ihren Rippen ausbrechen und sich ein neues Zuhause suchen.
Sobald Rosaria zu Atem gekommen war, sah sie erst, wo sie sich befand: auf einer steil abfallenden Anhöhe weit oberhalb eines Felsplateaus.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, breitete Rosaria die Arme aus und schaute in die Tiefe. Ihr Körper beugte sich vornüber, immer weiter, eine unbekannte Macht schien aus der Tiefe zu kommen und mit lockender Stimme nach ihr zu rufen.
»Flieg, Rosaria, flieg, dann ist es vorbei. Flieg, dann findest du Ruhe und Frieden.«
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16. Kapitel
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»Nein!«
Ein Schrei gellte durch die Nacht, ließ die Vögel ängstlich aufflattern und die Tiere des Waldes das Weite suchen.
»Nein!!!«
Es war Rosaria, die schrie.
Mit aller Willenskraft, zu der sie fähig war, widersetzte sie sich der unbekannten, schmeichelnden Macht der Tiefe, die ihr Ruhe und Frieden versprach.
»Nein ...«
Langsam, unendlich langsam entfernte sie sich vom Abgrund, und jeder Schritt kostete sie mehr Kraft, als sie zu haben glaubte.
Erst als sie so weit entfernt war, dass sie nicht mehr in die Tiefe blicken konnte, ließ sie sich auf den Boden sinken und weinte herzzerreißend.
Alle Tapferkeit, die sie in den letzten beiden Tagen bewiesen hatte, alle Beherrschung ging nun in Tränen auf. Rosaria war an dem tiefsten Punkt ihres Lebens angelangt.
Ohne Mutter, ohne Gefährten war sie nun allein auf der Welt, ohne Liebe und als Hexe verfolgt – und obendrein war sie vielleicht gar noch zur Mörderin geworden. Zur Mörderin an dem Mann, den sie wie sich selbst zu kennen geglaubt hatte, den sie geliebt hatte wie einen Bruder und der sich unter ihren Augen in ein wildes Tier verwandelt hatte.
Rosaria weinte, betete still zu Gott und suchte das Zwiegespräch mit ihrer Mutter Paola, die sie nun mehr vermisste als je zuvor in ihrem Leben.
»Mutter, was soll ich tun? Ich weiß nicht weiter«, flüsterte sie und sah hinauf zu den Sternen, hinauf zum Himmel, der ihre einzige Rettung zu sein schien.
Und plötzlich war ihr, als streifte sie ein warmer Hauch. Gleich darauf meinte sie Paolas Worte zu hören – Worte, mit denen sie die Tochter früher getröstet hatte.
»Gib niemals auf,
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