Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
über ihren Seitenblick verblüfft. »Ist die Puppe schön?«
    »Sie heißt Thelma.«
    »Thelma!« Sie lachte schallend und rau. »O weh!« sagte sie mit einem Blick zur untergehenden Sonne. »Ich muss zum Abendmelken zurück.«
    Er kniete vor ihr nieder und nahm ihr die Schlittschuhe ab- »Sie gehören mir nicht. Ich habe sie im Haus gefunden«, erklärte er. »Aber du kannst sie eine Weile behalten und benützen.«
    Sie schüttelte schnell den Kopf. »Wenn ich sie heimbringe, würde er mich fast umbringen, nur um herauszukriegen, was ich angestellt habe, um sie zu bekommen.«
    Er fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Um seine Verlegenheit zu überspielen, hob er drei Kiefernzapfen auf und begann, für sie zu jonglieren.
    Sie klatschte lachend in die Hände, und dann sprudelte sie atemlos hervor, wie er das Gehöft ihres Vaters finden könne. Als sie ging, drehte sie sich zögernd noch einen Augenblick nach ihm um.
    »Donnerstagvormittag«, schlug sie vor. »Er will keine Besucher, aber Donnerstag morgens bringt er den Käse auf den Markt.«

    Er hatte von Garwine Talbott geträumt. Im Traum hatten sie auf einem Heuboden gelegen, vielleicht in der Scheune ihres Vaters. Es war jene Art von Traum, in der ihm schon mehrmals Editha erschienen war, und er bemühte sich, sein Bettzeug sauberzubekommen, ohne des Baders Aufmerksamkeit zu erregen.
    Es fiel Schnee. Er schwebte wie Gänsedaunen, und der Bader band Felle vor die Fensteröffnungen. Die Luft im Haus wurde dumpf, und sogar bei Tag war es unmöglich, etwas zu sehen, außer dicht beim Feuer.
    Es schneite vier Tage lang mit nur kurzen Unterbrechungen. Rob suchte eine Beschäftigung, setzte sich zum Herd und zeichnete die verschiedenen Kräuter, die sie gesammelt hatten. Er verwendete dazu Holzkohlestücke, die er aus dem Feuer holte, und Rindenplatten, die er von dem Brennholz abschälte. So skizzierte er Krausminze, schlaffe Blüten von trocknenden Blumen und die geäderten Blätter des wilden Bohnenklees. Am Nachmittag schmolz er Schnee über dem Feuer, tränkte und fütterte die Hühner und achtete sorgfältig darauf, die Tür zum Hühnerstall zu schließen, denn der Gestank wurde trotz des Ausmistens unerträglich.
    Der Bader blieb im Bett und nippte an dem Metheglin. Als es schon den zweiten Abend schneite, wanderte er schwerfällig zum Wirtshaus und brachte eine stille, blonde Hure namens Heien mit. Rob versuchte, die beiden von seinem Bett auf der anderen Seite des Feuers aus zu beobachten, denn obwohl er die üblichen Bewegungen nun schon oft gesehen hatte, verwirrten ihn doch gewisse Einzelheiten, die in letzter Zeit seine Gedanken und Träume beschäftigten. Aber er war nicht imstande, das Dunkel mit den Augen zu durchdringen, und so studierte er nur ihre vom Feuer schwach beleuchteten Köpfe. Der Bader war verzückt und ganz bei der Sache, aber die Frau wirkte gelangweilt und melancholisch, als verrichte sie eine freudlose Arbeit.
    Nachdem sie gegangen war, holte Rob eine Rindenplatte und ein Kohlestück. Statt die Pflanzen zu zeichnen, versuchte er, die Züge einer Frau festzuhalten.
    Der Bader, der unterwegs zum Nachttopf war, blieb stehen, um die Zeichnung zu begutachten, und zog die Stirn in Falten. »Dieses Gesicht kommt mir bekannt vor«, brummte er. Kurz darauf, als er wieder im Bett lag, hob er den Kopf vom Fell. »Das ist ja Heien!« Rob freute sich darüber sehr. Er versuchte, den Salbenverkäufer Wat möglichst gut zu treffen, aber der Bader erkannte den Porträtierten erst, als Rob die kleine Gestalt von Bartram dem Bären hinzufügte. »Du solltest den Versuch, Gesichter möglichst genau wiederzugeben, fortsetzen, denn ich glaube, das ist eine Fertigkeit, die uns nützlich sein kann«, meinte der Bader. Doch er wurde es bald müde, Rob zuzusehen, und trank wieder, bis er einschlief.
    Am Mittwoch hörte es zu schneien auf. Der Bader nahm die Felle ab, die die Fensteröffnungen schützten, und ließ kühle, frische Luft ins Haus. Er feierte diesen Tag, indem er eine Lammkeule briet, die er mit Minzengelee und Apfelkuchen auf den Tisch brachte. Donnerstag morgens nahm Rob die Schlittschuhe und hängte sie sich an ihren Lederriemen um den Hals. Er ging zum Stall, legte Tatus nur Zaum und Halfter an, bestieg das Pferd und ritt aus der Stadt. Die Luft knisterte vor Kälte, die Sonne strahlte, und der Schnee war blendend weiß.
    Rob verwandelte sich in einen Römer. Es hatte keinen Sinn, sich als Caligula zu fühlen, der auf dem Vorfahr von

Weitere Kostenlose Bücher