Medicus 01 - Der Medicus
Welt reisen, um ein Gelehrter zu werden. Ich will nur ein guter Medicus werden.« Merlin schenkte sich Wein nach. »Es erstaunt mich - Ihr seid ein junger Rehbock und tragt dennoch Kleidung aus feinem Stoff und Waffen, die ich mir nicht leisten kann. Das Leben eines Baders hat seine Annehmlichkeiten. Warum wollt Ihr dann Medicus werden, was die schwerere Arbeit und Ungewissen Gewinn bringt?«
»Ich habe gelernt, verschiedene Leiden zu behandeln. Ich kann einen zerquetschten Finger abtrennen und den Stumpf ordentlich versorgen. Aber zu mir kommen so viele Menschen, bezahlen mich, und ich weiß nicht, wie ich ihnen helfen soll. Ich bin unwissend. Ich sage mir, dass manche bestimmt gerettet werden könnten, wenn ich mehr wüßte.«
»Selbst wenn Ihr mehrere Leben lang Medizin studiert, würden Menschen zu Euch kommen, deren Krankheit ein Rätsel ist, denn die Qual, von der Ihr sprecht, gehört zu dem Beruf des Heilens, und man muss mit ihr leben.
Dennoch ist es wahr: Je besser die Ausbildung, um so rnehr Gutes kann der Arzt tun. Ihr gebt den bestmöglichen Grund für Euren Ehrgeiz an.« Merlin leerte seinen Becher nachdenklich. »Wenn die arabischen Schulen nicht für Euch zugänglich sind, müßt Ihr die Arzte Englands sichten, bis Ihr den besten Medicus unter all den gewiß nicht guten findet, und vielleicht könnt Ihr einen dazu überreden, Euch als Lehrling anzunehmen.«
»Kennt Ihr einen solchen Medicus?«
Falls Merlin die Andeutung bemerkt hatte, reagierte er nicht darauf. Er schüttelte den Kopf und stand auf. »Wir haben unsere Ruhe verdient, und morgen werden wir erholt die Frage ins Auge fassen. Ich wünsche Euch eine gute Nacht, junger Bader!«
»Eine gute Nacht, Meister Medicus!«
Am Morgen aßen sie in der Küche heißen Erbsenbrei, und Rob hörte weitere Segenssprüche auf hebräisch. Die Familie frühstückte gemeinsam und beobachtete ihn heimlich, während er sie offen musterte. Mistress Merlin wirkte noch immer mürrisch, und in dem unbarmherzigen Morgenhcht sah man den schwachen, dunklen Flaum auf ihrer Oberlippe. Unter Benjamin Merlins Kittel und dem seines Sohnes Ruel schauten Fransen hervor. Der Brei aber war gut. Merlin fragte höflich, ob Rob eine gute Nacht verbracht habe. »Ich dachte noch lang über unser Gespräch nach. Leider fiel mir kein Medicus ein, den ich als Lehrer und Beispiel empfehlen könnte.«
Seine Frau brachte einen Korb mit großen Brombeeren auf den Tisch, und Merlin strahlte. »Ah, Ihr müßt diese Beeren zu Eurem Brei essen, denn sie sind sehr schmackhaft.«
Da sagte Rob: »Ich möchte, dass Ihr mich als Lehrling annehmt.« Zu seiner Enttäuschung schüttelte Merlin den Kopf. Rob erwähnte schnell, dass der Bader ihm viel beigebracht habe. »Ich konnte Euch gestern helfen. Bald könnte ich Eure Patienten bei schlechtem Wetter allein besuchen und Euch die Arbeit erleichtern.«
»Nein.« "Ihr habt doch bemerkt, dass ich die Fähigkeit besitze zu heilen«, fuhr er hartnäckig fort. »Ich bin stark und könnte auch schwere Arbeit leisten, was immer notwendig ist. Eine siebenjährige Lehrzeit. Oder länger. So lange Ihr wollt.« In seiner Aufregung sprang er auf, stieß an den Tisch, und der Brei schwappte über.
»Es ist unmöglich«, wiederholte Merlin.
Rob war verblüfft. Er war so sicher gewesen, dass Merlin ihn mochte.
»Fehlt es mir an den notwendigen Eigenschaften?«
»Ihr habt ausgezeichnete Eigenschaften. Nach dem, was ich gesehen habe, würdet Ihr einen ausgezeichneten Arzt abgeben.«
»Was ist es dann?«
»In dieser christlichsten aller Nationen würde ich nicht als Euer Lehrer geduldet werden.«
»Wen würde es kümmern?«
»Die Priester würde es kümmern. Sie nehmen mir schon übel, dass ich von französischen Juden abstamme und an einer mohammedanischen Akademie ausgebildet wurde, denn sie betrachten es als Zusammentreffen gefährlicher heidnischer Elemente. Sie lassen mich nicht aus den Augen. Ich fürchte den Tag, an dem meine Worte als Zauberei gedeutet werden oder an dem ich vergesse, ein Neugeborenes zu taufen.«
»Wenn Ihr mich nicht haben wollt, dann nennt mir wenigstens einen anderen Medicus, an den ich mich wenden kann.«
»Ich habe Euch gesagt, dass ich Euch niemandem empfehlen kann. Aber England ist groß, und es gibt viele Ärzte, die ich nicht kenne.«
Rob preßte die Lippen zusammen und legte die Hand auf den Griff seines Schwertes. »Gestern abend sagtet Ihr mir, ich solle den besten Medicus unter den gewiß nicht guten suchen.
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