Meere - Tierparadiese unserer Erde
Krebse.
© thinkstockphotos.de/Getty/rusm/istockphoto
Der Oslofjord - felsige Küste im Gezeitenbereich
Gleiche Besiedlungsstreifen
Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts haben Biologen erkannt, dass sich die Lebenswelt der Meeresufer weltweit prinzipiell nach dem gleichen Muster einteilen lässt, und zwar nach der Entfernung vom Wasser. Im Zusammenspiel mit dem Untertauchen bzw. Trockenfallen des Ufers im Rhythmus der Gezeiten ergeben sich horizontale Besiedlungsstreifen, die in der Vertikalen jeweils durch vorherrschende Leitarten speziell angepasster Tiere und Pflanzen gekennzeichnet sind. Diese Leitarten variieren natürlich von Küste zu Küste, sie gehören aber jeweils der gleichen Tier- bzw. Pflanzengruppe an. So dominieren an Felsufern, die stark der Brandung ausgesetzt sind, Seepocken aus der Gruppe der Rankenfußkrebse (Cirripedia) mit ihren weißen Gehäusen, doch bilden am Ufer des Atlantiks andere Arten die weißen Krustenbänder als am Pazifik oder an der Nordsee.
An Küsten mit großem Tidenhub können sich solche Besiedlungsstreifen auf mehrere Meter Höhe ausdehnen. Wo gar kein Wechsel von Ebbe und Flut erkennbar ist, reduzieren sie sich hingegen auf wenige Zentimeter oder entfallen ganz. So fehlt z. B. in den Tropen vielerorts die Zone der Tange. Dort sind praktisch alle Felsküsten warmer Meere mit Korallenriffen bedeckt. Sie bilden eigene Ufergesellschaften aus; sterben die Korallen, so dominieren am Ufer ähnliche Gemeinschaften von Tangen und Schnecken wie bei den beschriebenen Zonen gemäßigter bis kalter Meere. Die Ausdehnung der Besiedlungszonen hängt auch wesentlich von der Form der Küste ab: Wo eine schroffe Klippe senkrecht ins Meer stürzt, sehen die lebendigen Bänder anders aus als an flachen, weiten Uferzonen.
Die Spritzwasserzone
Die höchstgelegene Zone des Ufers ist die Spritzwasserzone, auch Supralitoral genannt. Sie liegt oberhalb der Hochwasserlinie und wird nie vom Wasser bedeckt, jedoch zeitweise durch Gischt und Sprühnebel befeuchtet. Hier können sich bereits salztolerante Flechten (z. B. die Gattung
Verrucaria
) halten und den Fels mit gelben, orangen, schwarzen oder graugrünen Fladen überziehen. An westeuropäischen Felsküsten bildet auch die Grünalge
Prasiola
mit ihren nur zentimeterhohen grünen Schirmchen dichte Kolonien. Auch Blaualgen siedeln hier. Von dieser Nahrung zehren die marine Assel (
Ligia oceanica
) und kleine Strandschnecken wie
Littorina saxatilis
als typische Bewohner der Zone. Sie schützen sich in Spalten und Überhängen vor dem Austrocknen.
In dieser »Kampfzone« zwischen marinen Lebewesen und Landlebewesen treten die stärksten Schwankungen von Temperatur, Salzgehalt und Feuchte der gesamten Uferzone auf, zudem die höchste Lichtintensität; außerdem nagt die Brandung am Fels. Nur wenige Tierarten leben deshalb im Supralitoral. Sie haben gepanzerte, kompakte Körper bzw. Schalen gegen die Brandung und das Ausdörren und sind nur zu günstigen Zeiten aktiv.
Die Gezeitenzone
Unterhalb des Supralitorals folgt die Gezeitenzone, auch Eulitoral genannt. Sie reicht von der Hochwasserlinie bis zur unteren Niedrigwasserlinie und wird oft noch in oberes, mittleres und unteres Ufer unterteilt. Im Prinzip herrschen hier die gleichen widrigen Bedingungen wie im Supralitoral. Doch arbeitet hier die Brandung mit voller Wucht am Fels bzw. seinen Bewohnern, deren Bestreben sein muss, nicht von der See aus ihrer Umgebung fortgespült oder beschädigt zu werden. So verwachsen im oberen Eulitoral Seepockenund Großalgen mit dem Untergrund. Erstere schützen sich mit massiven Gehäusen, die Algen dagegen mit Kalkeinlagen und einer besonders derben, zähen Schutzschicht (Cuticula). Diese Zone besiedeln auch größere Strandschnecken, Kreisel- und Napfschnecken (
Patella
), die sich festheften und z. T. bei Ebbe ihr Gehäuse verschließen oder sich verbergen. Im mittleren Uferbereich verdrängen oft Muschelbänke, z. B. von der Miesmuschel (
Mytilus edulis
), die Großalgen als Leitform. Auch hier finden sich wieder Napf- und Kreiselschnecken, jedoch andere Arten als im oberen Bereich. In wassergefüllten kleinen Gruben, Tümpeln und Höhlen überdauern kleine Käferschnecken (Polyplacophora) die Ebbe. Diese urtümlichen Tiere tragen ein Gehäuse aus mehreren Plättchen, so dass sie von oben wie Asseln aussehen. Anemonen ziehen bei Ebbe ihre Tentakel ein, sacken zu einem schrumpligen, flachen Zylinder zusammen und sondern Schleim ab; so reduzieren sie
Weitere Kostenlose Bücher