Meeres-Braut
»Das schaffe ich doch glatt in einem.« Er rannte davon. »Kommt schon«, rief er zwei erwachsenen Kobolden zu. »Wir müssen in den Harpyienwald.« Es waren ihm zwei Helfer gestattet, weil Gwenny ebenfalls zwei hatte.
Nun war nur noch eine Kapsel übrig. Gwenny nahm sie und öffnete sie. Stumm vor Entsetzen stand sie da.
Jenny trat heran und nahm sie ihr aus der Hand. Sie las den Inhalt: HOLE, WAS ZWISCHEN DEM ROKH UND DEM HARTEN PLATZ IST.
»Was ist das denn?« fragte Jenny.
»Die schlimmste aller Herausforderungen«, erläuterte Gwenny. »Ich glaube nicht, daß ich das überhaupt schaffen kann, schon gar nicht in zwei Tagen.«
Che nahm den Zettel. »Wir müssen uns beraten«, sagte er grimmig.
Sie begaben sich in Gwennys Gemächer und berieten sich. Che erklärte Jenny die Bedeutung der Worte. »Im Namenlosen Schloß gibt es ein großes steinernes Nest, und auf diesem Nest sitzt ein Vogel Rokh. Zwischen diesen beiden liegt das Ei des Rokh. Und das müssen wir holen.«
»Aber das muß doch ein riesiges Ei sein!« meinte Jenny.
»Das ist es auch. Aber Gwenny kann es ja mit ihrem Zauberstab heben. Das ist nicht das Problem.«
»Der Rokh wird sein Ei wohl kaum freiwillig preisgeben«, meinte Jenny.
»Das stimmt. Das ist tatsächlich ein Problem, aber nicht das e i gentliche.«
»Wo ist denn überhaupt dieses Namenlose Schloß?«
»Genau das ist das Problem«, erwiderte Che ernst. »Niemand weiß, wo es ist. Der einzige Hinweis, den wir kennen, findet sich in den Notizen des Guten Magiers. Offensichtlich haben die Dämonen davon erzählt. Humfrey hat es gesucht und festgestellt, daß es sich nirgendwo auf der Halbinsel von Xanth befindet, und so hat er sich anderen Dingen gewidmet.«
»Woher weißt du denn dann von dem Rokh und dem harten Platz?«
»Der Gute Magier hat eine dementsprechende Fußnote angefertigt. Vielleicht hat der große Dämon Professor Fetthuf ihn erwähnt. Aber mehr wissen wir nicht darüber.«
»Wieso bekommt Gobbel überhaupt eine so einfache Aufgäbe, während man Gwenny eine unmögliche stellt?« wollte Jenny wissen.
»Ich vermute, daß Gobbel betrogen hat«, antwortete Che nüchtern. »Er muß die richtige Kapsel mit dieser vertauscht haben. Leider können wir das nicht beweisen. Ich fürchte, wir sitzen mit dieser Aufgabe fest.«
»Aber dann sollten wir doch zur Aufsicht gehen und uns beschweren!« sagte Jenny.
»Die Aufsicht besteht aus männlichen Kobolden.«
Jenny seufzte. Sie hatte schon genug über Kobolde erfahren, um zu begreifen, daß jede Beschwerde zwecklos war. »Was sollen wir dann tun?«
Che vollbrachte ein halbes Lächeln. »Wir suchen das Namenlose Schloß.«
»Obwohl nicht einmal der Gute Magier es finden konnte?«
»Er hat es nicht gefunden. Das heißt aber nicht, daß er nicht konnte. Wahrscheinlich hatte er andere Dinge zu tun.«
»Und wie sollen wir es dann finden?«
»Wir fragen Sammy.«
Jenny lächelte. »Das könnte klappen!«
So füllten sie ihre Vorräte wieder auf und verließen den Berg. Als sie in ein offenes Gebiet kamen, sprach Jenny mit dem Kater. »Sammy, such uns die kürzeste Strecke zu dem Weg, der zum Namenlosen Schloß führt.« Denn sie wußte nicht, wie weit der Kater rennen mochte, wenn man seine Suche nicht entsprechend einschränkte, und langsam lernte sie, seine Fähigkeit wirkungsvoller zu nutzen.
Sammy raste nach Osten davon. Das war in Ordnung, denn es gab einen Weg, der in diese Richtung zum Fluß führte. Es war noch nicht so lange her, daß sie ihn benutzt hatten. Doch hatten sie am Fluß oder in seiner Nähe kein Schloß erblickt – und außerdem sollte das Schloß ja auch gar nicht auf der Halbinsel von Xanth liegen. Das bedeutete wahrscheinlich das Meer, was schon weniger in Ordnung war.
Sie folgten. Nach einer Weile blieb Sammy stehen und wartete. Als sie ihn eingeholt hatten, ließ Jenny ihn den nächsten Wegesabschnitt suchen. So nutzte sie sein Talent hervorragend aus.
Doch was sollten sie tun, wenn sie im Osten ans Meer kamen und es überqueren müßten? Ein weiteres Floß bauen? Das hatte auf dem Fluß zwar geklappt, doch war sie nicht wild darauf, es auch auf hoher See zu riskieren. Wenn Fracto sie erblicken sollte…
Sie erreichten den Fluß. Sammys geistige Landkarte führte schnurstracks ans andere Ufer. So holten sie ihr Floß hervor und suchten sich ein paar Stangen, um überzusetzen.
Doch jetzt befanden sie sich im Jagdrevier der Drachen. Es konnte sich nur um Augenblicke handeln, bis einer von
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