Meeres-Braut
Tälern aus dem Weg zu gehen, so daß die Fahrt ihnen einen recht gründlichen Einblick in das umgebende Land bescherte. Es war eine gemischte Landschaft mit vielen Arten von Bäumen, einigen wenigen Straucharten und nur einer Art von Kräutern.
Ein Dampfstrudel erschien über dem Boot. Neugierig blickte Ida ihn an. War das vielleicht ein weiterer Nebenstrom des unsichtbaren Flusses? Doch er schien gar nicht zu fließen, nur zu schweben.
Dann bildete sich ein Mund aus. »Was starrst du da so an?« wollte er wissen.
»Es spricht!« rief Ida erschreckt.
»Natürlich spricht es«, erwiderte der Mund. Nun bildete sich ein Augenpaar aus, richtete sich auf sie. »Was hast du denn erwartet, einen Rülpser vielleicht?«
»Aber du bist doch eine Wolke!« protestierte Ida. »Wolken reden doch nicht. Oder?«
»Natürlich reden Wolken. Nur nicht in einer Sprache, die Menschen verstehen können.«
»Ach, du meinst, so wie Drachen?«
»Kardinal.«
»Was?«
»Intrinsisch, inhärent, fundamental, elementar, primär.«
»Essentiell?«
»Was auch immer«, erwiderte der Dunst und bewölkte sich.
»Das ist die Dämonin Metria!« rief Mela mit einem Blick über die Schulter.
»Woher hast du das nur gewußt?« fragte die Wolke und formte sich zur Gestalt einer Frau, die beinahe ebenso wohlgeformt war wie Mela selbst.
»Das war nur geraten. Hier ist nichts von Interesse im Gange, Metria, daher sollten wir deine Zeit nicht weiter vergeuden.«
»Aber ist das denn nicht Ida?« fragte Metria. »Das ist die interessanteste Person in ganz Xanth.«
»Das bin ich?« fragte Ida ungläubig.
»Das ist sie?« fragte auch Mela. »Warum das denn?«
»Wegen ihrer Bestimmung. So eine hat es noch nie gegeben.«
»Aber meine Bestimmung bestand doch darin, von dem Drachen kristallisiert zu werden«, wandte Ida ein.
»Das hat der Drachen vielleicht behauptet«, meinte Metria. »Aber Drachen sind auch notorische Lügner.«
»Das habe ich nicht gewußt.«
»Nun, du hast ja auch noch nicht sonderlich viel Erfahrung mit Drachen.«
»Das stimmt«, bestätigte Ida. »Ich wußte nicht einmal, daß Menschen gar nicht mit Drachen sprechen können.«
»Das kommt davon, wenn man so isoliert aufwächst«, meinte die Dämonin.
»Es sei denn, daß mein magisches Talent darin besteht, mit Ungeheuern zu reden.«
Metria lachte. »Eine wirklich interessante Art, es darzustellen! Aber dein Talent ist das wohl kaum.«
»Du kennst mein Talent?«
»Natürlich kenne ich es!«
»Wirst du es mir sagen?« fragte Ida begierig.
»Vielleicht, wenn du mich fragst.«
»Was ist mein Talent?«
»Vielleicht aber auch nicht.« Die Dämonin verblaßte.
»Ich hätte dich warnen sollen«, sagte Mela. »Sie führt gern Sterbliche an der Nase herum. Wahrscheinlich kennt sie dein Talent sowieso nicht.«
»Du meinst, Dämonen sind wie Kobolde?« wollte Ida wissen. »Daß man sie unhöflich behandeln muß?«
»Nicht genau. Aber die wollen einem eben keinen Gefallen tun. Für eine Dämonin ist Metria gar nicht so übel; sie langweilt sich lediglich und unterhält sich gern damit, zu beobachten, was Sterbliche so machen. Aber manchmal hat sie Schwierigkeiten, den richtigen Ausdruck zu finden, und damit verrät sie sich.«
»Das ist mir auch aufgefallen.«
Jetzt meldete sich Okra zu Wort. »Warum glaubt die Dämonin denn, daß Ida die interessanteste Person in ganz Xanth ist?«
»Ich bin gar nicht sonderlich interessant«, sagte Ida in maidenhafter Bescheidenheit.
»Sie sagte, daß es an ihrer Bestimmung läge«, erinnerte sich Mela. »Eins muß ich zugeben – Metria kann zwar ziemlich lästig werden, aber sie scheint doch immer die Wahrheit zu sagen. An Ida muß etwas ganz Besonderes sein.«
»Vielleicht erfahren wir es, wenn wir erst im Schloß des Guten Magiers sind«, mutmaßte Okra.
Sie fuhren weiter stromaufwärts. Inzwischen wurde es immer steiler; die Strömung war kräftiger, und die Rostflecken wurden größer.
»Wirst du gar nicht müde?« fragte Ida die Ogerin. »Du hast doch die ganze Zeit gerudert.«
»Wahrscheinlich schon«, stimmte Okra ihr zu. »Bisher ist es mir nur nicht aufgefallen.«
»Schauen wir doch mal, ob wir am Ufer anlegen können, ohne aus dem Wasser zu geraten«, schlug Mela vor.
Vorsichtig versuchten sie es und gelangten sicher an Land. Nachdem sie aus dem Boot gestiegen waren, hob Okra es aus dem Wasser und nahm Platz, um sich auszuruhen. Mela und Ida machten sich auf die Suche nach Nahrung und entdeckten ein paar
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