Meeres-Braut
Flügelungeheuer…«
»… wird mir etwas tun!« beendete Che ihren Satz. »Wie konnte ich das nur vergessen!«
Der Drachen beäugte Gwenny. Er richtete seine Schnauze auf sie. »Sag ihm, daß ich deine Freundin bin!« rief Gwenny. »Und Jenny auch! Und Sammy!«
»Es sind meine Freunde, Stanley«, sagte Che schnell. »Wir reisen zusammen. Wir hatten einen Passierschein von Ivy, aber den haben wir verloren.«
Der Drachen nickte. Es war offensichtlich, daß er Ivys Namen erkannte. Nun war alles wieder in Ordnung.
Gwenny spürte, wie sich ihre Knie in feuchte Nudeln verwandelten. Sie hoffte nur, das es nicht allzu schlimm aussah. Sie war froh, daß Sammy Kater gewußt hatte, was zu tun war. Wenn Jenny nicht mitgekommen wäre, wäre auch der Kater nicht dabeigewesen, dann hätte Stanley das Koboldmädchen möglicherweise schon aufgefressen, bevor er bemerkt hätte, daß sie zu Che gehörte. Das verwandelte ihre Nudelknie vollends zu Brei, was sogar noch schlimmer war. So wirkte Dampf nun einmal.
Der Drache fraß sie nicht nur nicht, er erwies sich sogar als äußerst freundlich, nun, da er wußte, daß es mit ihnen seine Ordnung hatte. Vielleicht sehnte er sich auch nach seinen Jahren der Kindheit mit Ivy, die damals durch einen merkwürdigen Zufall genauso alt gewesen war, wie Gwenny und Jenny es heute waren, nämlich vierzehn. Ja, durch einen schier unglaublichen Zufall war sie sogar einmal so alt gewesen wie Che, nämlich sieben. So waren dem Drachen vielleicht in seinem heißen Schädel noch ein paar freundliche Erinnerungen an junge Leute geblieben. Tatsächlich erblickte Gwenny Fetzen seiner dampfigen Tagträume, in denen eine süße kleine Ivy mit ihm spielte und seine Schuppen polierte, bis sie schimmerten wie Spiegel, und ihn aufs Ohr küßte. Eine Abzweigung seiner Traumerinnerung zeigte, wie er vor sehr langer Zeit ein Ohr an einen Oger verlor, doch das war ihm wieder nachgewachsen, als er verjüngt worden war. Drachenohren, das wußte Gwenny, waren etwas ganz Besonderes, sie hatten magische Eigenschaften. Das war auch einer der Gründe, weshalb die Drachen sich nur ungern von ihnen trennten.
Stanley führte sie an eine Stelle, wo ein begehbarer Weg den Nordhang der Spalte hinaufführte. Dabei kamen sie auch an anderen vorbei, die der Drachen aber nicht weiter beachtete. Vielleicht wußte er ja, daß sie nur in irgendwelche Höhlen führten oder plötzlich ermüdet endeten, bevor sie oben angekommen waren. Natürlich wußte der Drache genau, welche davon nicht die geringste Hoffnung auf Flucht zuließen, weil er ja alle Kreaturen einfing und abkochte, die auf ihnen zu fliehen versuchten.
»Danke, Stanley«, sagte Gwenny, als die Zeit für den Abschied gekommen war. Dann tat sie etwas Kühnes: Sie beugte sich hinab und küßte sein Ohr, genau wie Ivy es in seiner Tagtraumerinnerung getan hatte. Durch einen weiteren, schier unglaublichen Zufall wurde er im selben Augenblick von einer Schüchterfliege gestochen, so daß seine Drachenschuppen feuerrot anliefen. Selbst sein Dampf färbte sich rosa. Aber er wirkte nicht unglücklich.
Dann machten sie sich an den Aufstieg. Sammy ging voran, denn sie hatten ihm aufgetragen, den sichersten Weg zu suchen. Hinter ihm folgte Jenny, dann kam Gwenny, während Che wieder die Nachhut bildete. Das lag daran, wie er erklärte, daß Zentauren prächtigere Hinterteile besaßen als andere Leute. Und wenn eine der anderen ausgleiten und stürzen sollte, könnte er sie besser auffangen und festhalten, ja sie so leicht machen, daß sie beide nicht in die Spalte hinunterfielen. Für den Aufstieg behielt Che den größten Teil seines vollen Körpergewichts bei, weil ihm das besseren Halt verlieh.
Der Weg versuchte tatsächlich, sie gelegentlich in die Irre zu führen, indem er ab und zu einen Seitenzweig vorbeischickte, der entweder zu irgendwelchen Steilklippen oder nirgendwohin führte. Einer davon sah zunächst viel angenehmer aus als der richtige Weg, doch konnten sie erkennen, wie er sich später änderte und versuchte, eine steile Felswand hinaufzugehen. Das war wirklich ein bösartiger Weg! Doch Sammy dachte nicht einmal daran, sich hereinlegen zu lassen. Statt dessen lief er jedesmal die richtige Strecke entlang.
Obwohl Che sie immer wieder leichter machte, wenn sie mal einen Felsvorsprung erreicht hatten, wo er sie mit seinem Schweif berühren konnte, war es doch ein beschwerlicher Aufstieg. Dann erschien plötzlich eine Wolke und musterte sie.
»Oh, nein«,
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