Meeres-Braut
war doch ein größerer Vorteil gewesen, als ihr damals klargeworden war.
Noch schlimmer aber war ihre bange Furcht vor der noch viel häßlicheren Koboldpolitik, mit der sie es dort zu tun bekommen würde. Bisher hatte ihre Mutter sie vor so etwas verschont, doch jetzt würde sie sich dem Schlimmsten stellen müssen, ohne daß Godiva sie noch sonderlich abschirmen konnte. Aber vielleicht würde sie sich mit Hilfe ihrer Freunde auch in diesem Morast noch zurechtfinden. Das hoffte sie jedenfalls.
Da wurden sie von einem Koboldposten bemerkt. Der hatte natürlich auf Wache geschlafen, doch jetzt sprang er auf und wedelte mit seiner Keule. »Verschwindet von hier, ihr Mißgeburten!« schrie er höflich.
»Ach, jetzt werd nicht albern, Habichtspucke«, konterte Gwenny. »Geh und sag der Dame Godiva, daß ihre Tochter hier ist.«
Habichtspucke rieb sich die Augen. »Oh, du bist das, Gwendolyn«, sagte er, als er sie erkannte. Dann machte er kehrt und verschwand durch ein Loch im Berg.
Bald darauf kam Gwennys Mutter heraus, ihr üppiges Haar wogte herrisch. Sie eilte herbei, um ihre Tochter zu umarmen. »Ach, Gwendolyn, du kommst gerade rechtzeitig. Ein Glück, daß du da bist! Es ist etwas Schreckliches passiert!«
Gwennys Gefühl der Furcht verstärkte sich. »Was denn, Mutter?«
»Es geht um deinen Halbbruder, den ich seit dem Tod deines Vaters einfach nicht mehr im Griff habe. Jetzt ist er schlimmer denn je.«
»Das halte ich aber für unmöglich, Mutter«, sagte Gwenny ernst. »Wie könnte er denn noch frecher geworden sein als vorher?«
»Es hat einen Verstoß gegen die Erwachsenenverschwörung gegeben.«
Nun schwoll die Furcht an wie ein Ungeheuer aus dem Hypnokürbis. »Du meinst, er… er weiß davon?«
»Ja. Und er droht, sämtlichen Kindern im Koboldberg davon zu erzählen, wenn er nicht bis morgen mittag zum Häuptling gemacht wird.«
Jetzt begriff Gwenny, was das mit ihr zu tun hatte. Gobbel war ihr einziger Rivale um das Häuptlingsamt, weil er das einzige weitere Kind von Gichtig Kobold war. Aber mit zwölf Jahren war er noch zu jung dafür, es sei denn, er erhielt eine Ausnahmegenehmigung. Und das war angesichts einer solch furchtbaren Drohung durchaus wahrscheinlich.
Mit vierzehn Jahren und als legitimes Mitglied der Erwachsenenverschwörung war Gwenny nur sehr knapp für das Amt qualifiziert. Aber sie war ein Mädchen, was gleich doppelt gegen sie sprach. Das dritte wäre ihr schlechtes Augenlicht gewesen. Das hatte sie zwar behoben, aber wenn Gobbels widerlicher Plan funktionieren sollte, würde das auch keinen Unterschied mehr machen. Dann würde der Koboldberg nicht nur den nächsten schlechten männlichen Häuptling bekommen, sondern sogar den schlechtesten, den man sich nur denken konnte – noch dazu einen Jugendlichen. Anstatt besser zu werden, würden die Kobolde dann nur noch schlimmer sein.
Und es war ihre Aufgabe, ebendies zu verhindern. Sie war die einzige, die das tun konnte. Wenn sie doch nur wüßte, wie!
9
Humphrey
Okra fühlte sich sichtlich unwohl in ihrem Höschen, obwohl es sich an ihrem dunklen Körper kaum hervorhob. Auch sie war von der Dämonin Metria getäuscht worden. Metria hatte nicht direkt gelogen, sie hatte es nur versäumt, die volle Wahrheit zu erläutern. Natürlich war Okra dumm genug für so etwas. Immerhin war es ihr ein schwacher Trost, daß auch Mela Meerfrau hereingelegt worden war. So hatten sie beide unwissentlich gegen die Erwachsenenverschwörung verstoßen und der Dämonin zu ihrem Dämonenlacher des Tages verholfen.
Nun, der Magier Grey Murphy hatte ja gesagt, daß es drinnen bessere Kleidung für sie geben würde. Das wäre ihr äußerst lieb! Jetzt mußten sie nur noch hineinkommen.
Das Schloß des Guten Magiers stand mitten auf einer kreisförmigen Ebene. Eine Brise wehte daraus hervor. Als sie sich näherten, wurde aus dem Lüftchen ein Wind, dann ein Windstoß und schließlich ein Sturm von solcher Heftigkeit, daß sie nicht dagegen angehen konnten. Das Haar flatterte hinter ihnen her, und sie legten sich schräg, um voranzukommen, doch die Füße glitten auf dem Sand aus und sie kamen nicht mehr weiter.
»Eine Herausforderung!« sagte Okra.
»Ja, das muß es sein«, stimmte Mela zu. »Aber da es nur ein Wind ist, können wir ihn vielleicht umgehen und uns von der anderen Seite aus ins Schloß wehen lassen.«
Also gingen sie den Rand des Plateaus entlang. Doch der Wind wehte ihnen ununterbrochen entgegen, und als sie schließlich die
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