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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Hände. Jeanne, Clara, ihr bleibt hier. Das ist eine ärztliche Anweisung. Ihr seid zu schwach, um Chris eine Hilfe zu sein.“
    Die Mädchen nickten und verkniffen sich die Tränen.
    Alan zog Maya hinter sich her. Jeder Schritt, den sie zurücklegten, war eine einzige Qual. In ihr verkrampfte sich alles. Als sie die wimmelnde Menschentraube am Heck entdeckte, glaubte sie gänzlich zu verzweifeln. In heller Aufregung versuchte man, möglichst nahe an das Objekt der Begierde heranzukommen, schubste und drängelte aus Leibeskräften und verschaffte sich mit Ellbogenstößen Raum.
    „Ich dachte, ich müsste dich von ein paar Morden abhalten.“ Alan knirschte mit den Zähnen. „Aber vielleicht gestaltet es sich auch umgekehrt.“
    Hinter ihnen stöhnte Solander auf. Maya rannte auf die Menge zu, schob grob jeden zur Seite, der ihr im Weg war, schlug die Hände beiseite, die an ihrem Hemd zogen, und kämpfte sich weiter vor. Endlich sah sie ihn. Er lag auf dem Boden, so wütend und verletzlich zugleich, dass es ihr das Herz zerschnitt. Ein verzweifelter Stolz flackerte in seinen Augen, nicht willens, zu resignieren. Machtlos ging Maya in die Knie. Sie erstickte ihr Schluchzen, streckte die Arme aus und legte ihre Hände auf seine Schultern. Jedes Wort blieb ihr im Halse stecken. Tränen liefen über ihre Wangen. Niemals in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt.
    „Hör mir zu.“ Christopher packte sie bei den Schultern und zog sie zu sich hinunter.
    Sie spürte seine kühlen Lippen an ihrer Wange. Weich und salzig würden sie schmecken, doch wenn sie ihn jetzt küsste, würde der Schmerz sie umbringen.
    „Bringt euch in Sicherheit. Geht nicht in die Kabinen, bindet euch irgendwo an Bord fest. Und zwar so, dass ihr euch unter Wasser schnell befreien könnt.“
    „Was?“ Sie rang nach Atem. „Großer Gott, Chris, was hast du getan?“
    „Bringt euch in Sicherheit.“ Seine Stimme klang dunkel und fremd. „Ich habe etwas ausgelöst. Etwas, das ich nicht kontrollieren kann. Es ist zu stark. Das Meer wird dieses Schiff verschlingen. Rettet euch.“
    Sie sah, wie sich sein Fischleib zu verändern begann. Die Schuppen verschmolzen mit der Haut, die Schwanzflosse krümmte sich zusammen. Dutzende Augenpaare beglotzten mit widerlicher Begeisterung die Metamorphose.
    „Was hast du ausgelöst?“
    „Ich weiß es nicht.“ Christopher zuckte zusammen.
    Ihr Blick fiel auf Max, der eine frisch ausgerissene, silberweiße Schuppe in den Fingern hielt. Mit aufgeklapptem Kiefer drehte er sie hin und her, bestaunte das perlmuttartige Schimmern. Ihm blieb nicht viel Zeit, seiner Neugier zu frönen. Ein kurzer, heftiger Schlag mit der Flosse, und er landete mit überraschtem Grunzen auf dem Rücken.
    „Maya, hör mir zu.“ Christopher packte ihre Schultern. „Ihr müsst euch in Sicherheit bringen, sonst werdet ihr sterben.Das Wasser kommt. Ich kann nichts dagegen tun. Ich kann euch nicht helfen. Geh!“
    Maya wollte aufspringen, erschreckt über den Klang seiner Stimme, doch jemand kam ihr zuvor, packte sie am Kragen und zerrte sie beiseite. Die Wand aus Menschen schloss sich vor ihr. Noch einmal, das war ihr klar, würde sie nicht wieder in seine Nähe kommen.
    Das Meer … sterben … in Sicherheit bringen …
    Am ganzen Körper zitternd ging sie zu Alan, der sie in die Arme schloss. Solander stand mit betretener Miene neben ihnen. Stumm spendeten sie einander Trost, bis der Schiffsarzt plötzlich erstarrte.
    „Spürt ihr das?“
    Maya blickte auf das Meer hinaus. Makellos glatt spiegelte es den Morgenhimmel wider, so höhnisch schön. Für Sekunden schien die Welt in ihrem Lauf inne zu halten. Sie glaubte zu sehen, wie der Ozean einen Atemzug nahm. Einen tiefen, gewaltigen Atemzug, der das Schiff spürbar anhob und wieder absinken ließ. Die Luft zog sich zusammen. Sie legte sich wie ein Eisenband um ihren Brustkorb. Dann endete die Stille. Von fern erklang ein dumpfes Donnern.
    „Großer Gott“, flüsterte Solander. „Seht ihr das? Da hinten?“
    Er deutete zum Horizont. Das Licht der Dämmerung begrenzte das Blau des schwindenden Nachthimmels mit einem Streifen Türkis. Etwas war dort, das zunächst wie ein weißes Wolkenband aussah. Doch je näher es kam, umso gewaltiger wurde das Donnern. Es erinnerte an die Bilder, die vor einigen Jahren im Fernsehen allgegenwärtig gewesen waren. Eine Furcht einflößende Wand aus Wasser, unbezähmbare Macht symbolisierend. Doch das, was in diesen Augenblicken auf

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