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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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mythologischen Wesen es im Meer gibt.“
    „Weil du wusstest, dass du zu ihnen gehörst?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Es war wohl etwas Instinktives. Der Shellycoat ist eine der berühmtesten Figuren hier auf der Insel. Aber er ist in jeder Geschichte hässlich und plump. Deswegen trägt er auch den Ganzkörper-Mantel aus Muscheln.“
    „Die meisten männlichen Wasserwesen sind hässlich.“ Jeannes Versuch, zu scherzen, mutete kläglich an. „Damit musst du leben.“
    „Meistens sind sie bärtig.“ Er betrachtete eine Abbildung in dem Buch, die ein behaartes, fischähnliches Wesen zeigte. Auf dem Kopf trug es etwas, das wie eine umgestülpte Lotosblüte aussah. „Mit schiefen grünen Zähnen und fetten Bäuchen. Manche sehen auch aus wie aufgedunsene Wasserleichen. Zum Glück habe ich mich nicht in so was verwandelt.“
    Jeanne schnaufte. „Letzteres wäre der normale Verlauf der Dinge gewesen.“
    „Und Ersteres nicht weniger fatal.“ Ein trockenes Lachen entfloh seiner Kehle. Mit diesem Laut schien ein Eispanzer zu zerbrechen. Er ließ sich zurück in die Polster sinken und legte eine Hand auf seine Stirn. Das alles war vollkommen verrückt. Vielleicht verlor er tatsächlich den Verstand.
    „Ich würde dich trotzdem noch lieb haben“, hörte er Jeanne murmeln. „Auch als fetten Wassermann. Es gibt Tricks, die deine Haut unauffälliger aussehen lassen. Und farbige Kontaktlinsen. Ich weiß, es ist egoistisch, aber du bist mein letzter Halt. Ich ertrage es nicht, wenn …“
    Er schnitt ihr das Wort ab. „Hör auf damit. Ich gehe nicht, hörst du? Niemals.“
    Ach ja?, höhnte sein Verstand. Und wie willst du ihr beistehen, wenn dir ein Fischschwanz wächst? Etwa in der Badewanne hausen?
    Das Zimmer um ihn herum drehte sich. Alles in ihm war in Aufruhr. Es war ein Taumel aus Verwirrung, Furcht und seltsam schmeckender Euphorie, die dem nicht menschlichen Teil in ihm entstammte. Dem Teil, der die Veränderungen willkommen hieß und ihn drängte, an den Strand zu gehen. Hinein in das Wasser, um die Herrlichkeiten einer neuen Welt zu entdecken.
    „Ich bin für die Sotalia.“ Er hob eine Spur zu hastig das Buch. „Ja, das klingt nicht übel.“
    „Was sind Sotalia?“ Jeannes trauriger Blick vertiefte sein Elend, doch das sardonische Lächeln auf seinen Lippen hieltstand.
    „Eine Art von Delfinen. Sie leben an den Küsten und in den Flüssen Südamerikas. Manchmal, in besonders hellen Mondnächten, verwandeln sie sich in schöne, junge Männer, kleiden sich ganz in Weiß und suchen Dörfer auf, um Frauen zu verführen. Am nächsten Morgen nach der Liebesnacht gehen sie wieder zurück ins Wasser, und fortan entbrennt die Menschenfrau in für sie unerklärliche Sehnsucht, denn der Sotalia nimmt die Erinnerung an ihn mit sich in das Wasser.“
    „Arroganter Kerl.“
    „Ich habe meine Tugenden. Falsche Bescheidenheit ist keine davon.“ Er zwinkerte ihr zu, kläglich darum bemüht, sie aufzuheitern.
    „Aber ich finde, am wahrscheinlichsten sind die Sirenen. Wie du selbst schon sagtest.“
    „Sind das nicht ausschließlich Frauen?“
    „Klassischerweise. Aber du musst bedenken, dass diese Legenden aus einer Zeit stammen, als nur Männer die Meere befuhren. Da ist es kein Wunder, dass sie überall nackte Frauen sahen. Immerhin krochen sie monatelang auf dem Zahnfleisch bezüglich gewisser Bedürfnisse.“
    „Großer Gott, Chris, weißt du eigentlich, was du da sagst? Sirenen locken Seelen mit ihrem Gesang in den Tod.“ Jeanne sprang auf und wedelte energisch mit den Händen. „Sie werden immer als gefährlich beschrieben. Als schön, aber tödlich. Aber es passt. Alles an dieser Theorie. Deine Stimme war schon immer etwas Besonderes. Gerade in letzter Zeit ging etwas von ihr aus, das ich nicht beschreiben kann. Selbst, wenn du mir nur einen guten Morgen gewünscht hast, bekam ich eine Gänsehaut.“
    „Im Ernst?“ Ihm missfiel die düstere Seite an dem Ganzen. Er erinnerte sich an die Worte der Fremden und fühlte sich tief im Inneren kalt wie Eis. Was, wenn sie recht hatte? Lag in ihm eine Macht, die Menschen tötete?
    „Aber warum müssen Sirenen zur dunklen Seite der Macht gehören?“, fuhr Jeanne nachdenklich fort. „Nur weil sie Seelen ins Totenreich führen? Vielleicht ist ihre Aufgabe etwas Schönes. Vielleicht bringen sie verlorene Seelen nach Hause.“
    Er hatte in dem Buch noch etwas nachsehen wollen und ließ es nun sinken. „Ich kann nicht glauben, dass wir darüber

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