Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
Vom Netzwerk:
vorstellen?«
    »Nun«, sagte Kyan gedehnt, »für
dich
bedeutet es, dass du dich
weiterhin um die kleine Olivia kümmern wirst. Du kannst mit ihr
tun, was dir gefällt. Du darfst sie sogar küssen …«
    Liams Augen wurden schmal.
    »Solange du sie nicht ertränkst«, fügte Kyan hastig hinzu, bevor
Liam etwas einwenden konnte. »Und je intensiver du dich um sie
kümmerst, desto mehr wird sie dich lieben und umso größer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass sie nie wieder einen Menschenmann an sich
heranlässt.« Ein heimtückisches Lächeln huschte über sein Gesicht.
»Und deshalb wird die süße kleine Olivia bedauerlicherweise auch
niemals Nachkommen empfangen.«
    Liam schüttelte den Kopf. »Und du denkst, das funktioniert?«
    Kyan sah seinen Freund herausfordernd an. »Sollen wir wetten?«
    »Um was?«
    »Jetzt hört schon auf«, ging Zak genervt dazwischen. »Solange wir
nicht wissen, ob wir auch ohne den Plonx an Land gehen können,
brauchen wir um gar nichts zu wetten.«
    »Schsch!«, machte Kyan. »Abtauchen!«
    »Was ist denn?«, murrte Zak.
    »Folgt mir«, sagte Kyan nur und stieß urplötzlich steil hinunter auf
den Meeresgrund zu.
    Zak und Liam tauschten einen fragenden Blick, schossen aber sogleich
hinter ihrem Anführer her.
    Mit wenigen kräftigen Flossenschlägen erreichten sie die Ausläufer
der Klippen von Sark. Dunkel ragte die zerklüftete Insel vor ihnen
auf. Kyan tauchte bis zum Grund und schwamm dann langsam im
Schutz zweier Felsgrate auf sie zu. Seine Bewegungen waren äußerst
vorsichtig, Zak und Liam spürten die Anspannung, die von ihm ausging.
    »Was hat er nur?«, raunte Liam, nachdem er in den engen Zwischenraum
der Felsen geglitten war. »Kannst du irgendetwas erkennen?
«
    Zak schwieg und an seiner Stelle antwortete Kyan:
Achtung,
Liam, jetzt kommt es auf dich an!
    Der Nix spannte unwillkürlich seine Muskeln. Ihm blieb keine
Zeit nachzufragen, denn in diesem Moment löste sich eine schlanke
schwarze Gestalt aus einer der Inselhöhlen. Sie war länger und größer
als die Delfine, und unter ihrer nahezu undurchsichtigen Haut waren
der olivfarbene Körper und das flächige Gesicht mit den hohen Wangenknochen,
den funkelnden schwarzen Augen und den kräftigen Zähnen,
die schneeweiß hinter den geschwungenen Lippen hervorblitzten,
nur schemenhaft zu erkennen.
    Worauf wartest du noch!
    Kyans Befehl löste einen Impuls in Liam aus. Ohne zu zögern oder
gar nachzudenken, arbeitete er sich rückwärts aus den Felsen heraus
und stob pfeilschnell auf den Schwarzen zu.
    Zak und Kyan folgten, doch ehe sie ihren Freund erreichten, hatte
Liam dem Hai bereits seine Zähne in die Flanke geschlagen. Ein
Schwall dunkelrotes Blut wuchs in Sekundenbruchteilen zu einer
mächtigen Wolke heran. Der Hai wand sich, drehte sich einmal um
sich selbst und schnappte nach Liams Rückenflosse, erwischte sie aber
nicht und wurde im nächsten Augenblick bereits von Zak und Kyan
gegen einen Felsen gerammt.
    Zuckend sank er dem Boden entgegen, wo er schließlich reglos liegen
blieb.
    »Das haben sie nun davon«, sagte Kyan abfällig. »Wer zu lange an
Land lebt und sich die Menschen zu Freunden macht, ist dem Meer
und seinen wahren Herrschern nicht mehr gewachsen.«

»Sie sind wundervoll«, sagte Gordy. »Die besten Freunde, die
man sich vorstellen kann.«
    Wir hockten Schulter an Schulter auf dem Bett und blickten
versonnen in den Abendhimmel. Neben uns stand ein Teller
voller belegter Brote, die Tante Grace für uns gemacht hatte.
Ich hatte nur eins davon gegessen, mehr bekam ich nicht runter.
Meine Seele war übervoll und das wirkte sich auch auf
meinen Appetit aus.
    »Ja, das sind sie«, erwiderte ich seufzend. »Ruby ist …«
    »Zauberhaft.«
    »Oh, sie kann auch eine Nervensäge sein«, sagte ich. »Eine
liebenswerte allerdings.«
    »So wie Idis.«
    Ich nickte und schwieg. Ein bisschen beneidete ich Gordy
darum, dass er eine Schwester hatte. Ich hätte auch gerne eine
gehabt. Und einen Bruder. Eine richtige Familie eben. Aber
dazu hätte dann natürlich auch Pa gehört.
    Eine tiefe Traurigkeit nahm mein Herz in Besitz und legte
sich wie ein grauer Nebelschleier über mein Gemüt. Ich wollte
aber nicht ausgerechnet jetzt, in dieser ersten langen gemeinsamen
Nacht, über meinen Vater reden.
    »Weißt du, sie hat einen jüngeren Bruder«, sagte ich leise.
»Er ist sehr krank. Und Ruby … sie fühlt sich schuldig.«
    »Warum?«
    »Sie hat ihn mit nach Lihou Island hinübergenommen. Er
wäre auf dem Weg dorthin

Weitere Kostenlose Bücher