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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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dauerte es nur ein paar Minuten, bis Cyril zurückkam.
    »Ruby wartet am Eingangstor auf uns«, teilte er mir mit, startete den Motor und fädelte sich in den Verkehr ein.
    »Was hast du ihr gesagt?«
    »Die Wahrheit.«
    »Hat Tante Grace etwas davon mitgekriegt?«
    »Nein.« Cyril warf mir ein beruhigendes Lächeln zu. »Weder sie noch deine Mutter. Sobald wir in deinem Apartment sind, verbinden wir dein Bein, und dann erzählen wir ihnen, dass du auf der Verfolgungsjagd nach Kyan gestürzt bist und dich an einer Scherbe verletzt hast.«
    »Okay.« Ich nickte. Das konnte funktionieren.
    »Der Biss ist nicht ohne«, meinte Cyril. »Aber du wirst sehen, diese Wunde wird nicht weniger rasch heilen als die, die dir diese Chamäleon-Nixe im Meer zugefügt haben.«
    »Außerdem wird es wohl kaum die letzte sein«, gab ich zurück.
    »Nein. Ich fürchte auch.«
    Cyril umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel hell unter seiner olivfarbenen Haut hervortraten. Finster starrte er durch die Frontscheibe auf die Straße hinaus und beschleunig te das Tempo.
    Die ganze Fahrt über saßen wir schweigend nebeneinander, und obwohl wir Ruby noch einladen mussten, erreichten wir Gra cies High am Ende in weniger als zehn Minuten.

    »Wie willst du ihn je besiegen, wenn er sich unsichtbar machen kann?«, fragte Ruby, als wir im Badezimmer saßen und meine Wunde begutachteten. »Das sieht ja schlimm aus!«, rief sie. »Also, bei einem normalen Menschen müsste das auf jeden Fall genäht werden.«
    »Zum Glück bin ich kein normaler Mensch«, erwiderte ich sar kastisch und nahm ihr die Tube aus der Hand, die sie aus dem Me dizinfach des Spiegelschranks gekramt hatte. »Und deshalb hilft auch diese Salbe nichts. Glaub mir, ich hab schon Schlimmeres überstanden«, beschönigte ich das Ganze, um sie zu beruhigen. »Und was Kyan betrifft: Es ist Gordys Aufgabe, ihn zu besiegen.«
    »Der war aber nicht da oder sehe ich das falsch?«, brummte Ruby.
    »Nein, allerdings …«
    »Und Cyril konnte es auch nicht verhindern«, fuhr sie ungehal ten fort.
    »Fehlt nur noch, dass du jetzt behauptest, dass er zu gar nichts nütze sei«, sagte ich halb scherzend, halb knurrend.
    »Das würde ich nie tun«, entgegnete Ruby leise.
    Wir sahen uns an, und ein stiller Moment lag zwischen uns, bevor sie sich im nächsten mit einem energischen Handgriff die Heilsalbe zurückeroberte.
    Ich gab mich geschlagen. Außerdem brannte ich darauf, end lich etwas über die letzten Minuten von Ashtons Beisetzung zu erfahren.
    »Wie haben die Leute auf deinen Auftritt reagiert?«
    »Du wirst lachen«, meinte Ruby, während sie den Tubendeckel abdrehte, etwas von der Salbe auf die Kuppe ihres Mittelfingers gab und es anschließend vorsichtig auf meine offene Wade tupfte, »aber im Grunde haben sie überhaupt nicht reagiert … abgese hen davon, dass die meisten ziemlich blass um die Nase geworden sind. Aber du kannst sicher sein … hinterher, als ich nicht mehr da war, werden sie sich das Maul zerrissen haben.«
    »Du hast das einzig Richtige getan.«
    Ruby nickte und mit einem Mal sah sie wieder schrecklich trau rig aus. »Das Schlimme ist, dass kaum einer von ihnen Ashton wirklich gemocht hat.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Sie können es bloß nicht zeigen. Was zählt, ist das, was euch verbunden hat und du für ihn empfindest.«
    Ruby verschloss die Tube, formte ein Polster aus einem Stück Mull und legte es auf die Wunde. Danach umwickelte sie mit flin ken Fingern meinen gesamten Unterschenkel und fixierte den Verband mit Hilfe von Gummiklemmen.
    »Und dass Ashton in Gordy und dir echte Freunde hatte«, er gänzte sie, fasste mich bei den Händen und half mir in den Stand.
    »Und in Cyril«, betonte ich. »Den solltest du nicht vergessen.«
    »Tu ich schon nicht.« Ruby zog eine Grimasse. »Ich fürchte sogar fast, ich könnte mich an ihn gewöhnen … Und ich fürchte noch etwas«, setzte sie hastig hinzu, wohl um zu verhindern, dass ich eine dumme Bemerkung machte, »nämlich dass Joelle, Olivia und Aimee noch heute hier aufkreuzen.«
    »Wieso sollten sie?«, fragte ich verwundert.
    »Keine Ahnung«, gab Ruby achselzuckend zurück. »Es gibt kei ne logische Erklärung dafür. Es ist bloß so ein Gefühl.«
    Ruby sollte recht behalten. Um kurz nach halb fünf am Nach mittag – Cyril hatte sich gerade verabschiedet und Tante Grace eine selbst gebackene Erdbeertorte auf dem Terrassentisch ser viert, standen die drei Mädchen plötzlich vor der

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