Meerestosen (German Edition)
leise.
Er konnte sich nicht dagegen wehren, verteidigte ich ihn.
Oceanes Brauen schoben sich über ihrer Nasenwurzel zusam men. Schon möglich.
Warum glaubst du mir nicht?
Das tu ich ja, erwiderte sie überraschend sanft. Ich befürchte nur, dass es weitaus komplizierter ist, als es scheint. Und ich hoffe wirklich sehr, dass Cullum den Geheimnisträger aufspürt und er ihm etwas über Gordys und damit vielleicht auch über unser aller Schicksal entlocken kann.
Ist es nicht ohnehin das Meer, das darüber bestimmt?
Oceane nickte. Aber das bedeutet nicht, dass unser Wille überhaupt nicht zählt. Wir dürfen nicht einfach alles geschehen lassen, im Vertrauen darauf, dass das Meer die Dinge schon für uns regeln wird. Wir müssen Entscheidungen treffen und sie umsetzen … und manchmal erfordert das unsere ganze Kraft.
Ich betrachtete sie bedrückt. Denn natürlich dachte ich sofort an die Situation in Lübeck, als ich Gordy verlassen wollte und das Meer sich mir entgegengestemmt hatte.
Hatte ich mich damals wirklich mit aller Macht dagegen ge wehrt? Oder war es nicht eher so gewesen, dass ich diesen Gegen druck nur zu gerne angenommen hatte, damit ich einen Grund hatte, Gordian zu folgen? Jetzt, im Nachhinein, konnte ich das beim besten Willen nicht mehr sagen.
Was ist?, fragte Oceane, als sie meinen Blick bemerkte. Worüber denkst du nach?
Ich schüttelte unwillig den Kopf. Gordy hat mir erzählt, dass du und Cullum … dass das Meer euch zusammengeführt hat.
Das stimmt.
Ihr konntet euch nicht dagegen entscheiden?
Nein, erwiderte sie. Um genau zu sein: Wir wollten es auch gar nicht. Es schien uns das einzig Richtige zu sein.
Ihr liebt euch so sehr, dass ihr euch mit niemand anderem paaren wollt.
Oceane seufzte leise. Es ist mehr als das, flüsterte sie. Es ist, als ob Tag und Nacht sich vereinigen. Das eine existiert nicht ohne das andere.
Ich schluckte schwer. Heißt das …, begann ich stockend.
Ja, das heißt es. Wenn einer von uns stirbt, wird der andere nicht ohne ihn weiterleben … können. Ein gequältes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es würde ohnehin keinen Sinn haben.
Welchen Sinn hat es überhaupt? Ich meine, niemand scheint davon zu profitieren, außer euch beiden.
Danach fragen wir nicht, erwiderte Oceane. Wir nehmen es an, wie es ist. Ein Sinn erschließt sich oftmals erst unseren Nachkommen.
Das hat Gordy auch gesagt.
Sie nickte. Cullum und ich halten es für möglich, dass ihm etwas Ähnliches bestimmt ist.
Ich dachte an Janes Worte, an all das, was auch sie über Gordys Schicksal angedeutet hatte, und spürte einen brennenden Stich in meinem Herzen. Fast hätte ich aufgestöhnt, stattdessen grub ich die Zähne in meine Unterlippe und biss auf diese Weise den Schmerz weg. Aus einer Ahnung war Realität geworden. Es nützte niemandem, wenn ich wegsah oder mich dagegen auflehnte.
Kirby? Meine Stimme klang rau, aber sie zitterte nicht.
Wieder nickte Oceane. Diesmal kaum merklich.
Wir waren sicher, dass sie und Gordy einander bestimmt sind, bis er verschwand und … Sie brach ab. Offensichtlich fiel es ihr schwer, wei terzureden. Es irritiert uns, dass er dich getroffen hat … dass ihr einander so ähnlich seid und euch dennoch so sehr voneinander unterscheidet. Bitte glaub mir, Elodie, Cullum und ich, wir würden eure Verbindung wirklich gern akzeptieren, beschwor sie mich. Ich befürchte jedoch, dass wir und vielleicht ein paar unserer engsten Freunde die Einzigen sind. Du weißt, wie sehr Plonxe und Halbnixe beargwöhnt werden.
Noch, Oceane, wandte ich leidenschaftlich ein. Weil Wesen wie Gordy und ich für euch bisher nicht greifbar waren. Niemand von euch ist jemals zuvor einem Plonx begegnet. Aber jetzt könnt ihr euch alle selbst davon überzeugen, dass wir keine Bedrohung für euch sind. Und wenn Cullum und Gordy erst herausfinden, dass an den Legenden überhaupt nichts dran ist …
Das wird nicht passieren, sagte Oceane. Die Legenden sind schließlich nicht unserer Fantasie entsprungen. Mag sein, dass während der vielen Jahrzehnte der mündlichen Überlieferung Zusammenhänge verloren gegangen und neue Details dazu ersonnen worden sind. Das ändert aber nichts daran, dass die Verwandlung eines Delfinnixes in einen Plonx als Vorbote für ein großes Unheil gilt.
Ja, weil er sich nicht weiter dem Anführer seiner Allianz unterordnet, stieß ich bitter hervor. Für meine Begriffe war das ein absolut lä cherlicher Grund. Noch dazu einer, der die Realitäten außer
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