Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
Vom Netzwerk:
immer geht nicht das kleinste Lüftchen. Besser können die Be dingungen für einen Tauchgang mit einer Menschenfamilie also gar nicht sein.
    »Ach, mein Junge …« Tante Grace schlägt in gespielter Empö rung nach Gordy. »Wenn du es doch nur zugeben könntest!«
    Er richtet seine Augen erstaunt auf sie. »Was meinst du?«
    »Na, dass dir beim Anblick meines Kuchens das Wasser im Munde zusammengelaufen ist und du nun dringend eine kleine Fischmahlzeit brauchst. Was allerdings noch lange kein Grund ist, deine drei Freunde hier und eine unschuldige Menschenfa milie …«
    »Miles kommt auch mit«, unterbricht Ruby sie. »Meine Eltern warten bestimmt schon am Strand in der Cobo Bay auf uns.«
    »Ausgerechnet dort, wo am meisten los ist«, brummt Tante Grace, während sie den Tellerstapel entgegennimmt, den ich ihr reiche.
    »Eben«, sage ich und zwinkere ihr zu. »So spricht es sich nun mal am schnellsten rum.«
    »Und was ist mit eurer Homepage?«, erwidert sie und deutet auf das Notebook, das Cyril gerade herunterfährt. »Dort kann euch die ganze Welt dabei zusehen, wie ihr die Gestalt wechselt.«
    »Es ist nicht das Gleiche«, sagt Gordy.
    Er steht auf, nimmt zärtlich meine Hand und zieht mich eben falls hoch.
    »Das weiß ich.« Tante Grace macht eine unwillige Geste. »Aber …«
    Ich streiche ihr sachte über den Arm. »Wovor hast du Angst, hm? Ich meine, wir haben die Kanalinseln vor dem Untergang be wahrt … Etwas Schlimmeres als das, was wir hier vor zwei Jahren erlebt haben, kann uns doch gar nicht mehr passieren.«
    »Es gibt noch immer eine Menge Leute, denen ihr nicht ge heuer seid«, wendet meine Großtante ein, wohl wissend, dass sie mit diesem Argument keinen Hering aus dem Meer fischen wird. »Und die den Haien nicht trauen …«
    »Das kann man auch nicht«, meint Cyril grinsend. Er schiebt seine Hand in Rubys Nacken und streicht ihr eine honigblonde Strähne aus dem Gesicht. »Hab ich nicht recht?«
    »Absolut«, sagt Ruby und küsst ihn liebevoll auf den Mund.
    »Tja, dann …« Tante Grace seufzt resigniert.
    »Komm doch einfach mal mit und sieh es dir selber an«, schlage ich vor, doch wie nicht anders erwartet, schüttelt sie sofort ener gisch den Kopf.
    »Meine Wenigkeit und Sandstrand haben noch nie sonderlich gut zusammengepasst.«

    »Sagtest du nicht, Patton sei der Vater deiner Großmutter gewe sen?«, erkundigt Ruby sich, als wir fünf Minuten später unsere Fahrräder in Richtung Kiesauffahrt schieben.
    »So zumindest steht es in dem Brief, den meine Urgroßmutter Tante Graces Schwester Holly hinterlassen hat«, sage ich achselzu ckend und werfe noch einen Blick über die Schulter zurück auf Gordian, der sich offenbar nicht entscheiden kann, ob er Cyril auf dem Wasser- oder uns auf dem Landweg in die Cobo Bay be gleiten soll.
    »Und warum meidet Grace Shindles dann das Meer wie der Teufel das Weihwasser?«, erwidert Ruby.
    »Keine Ahnung«, brumme ich. »Bestimmt nicht, weil sie Angst hat, sich in einen Walnix zu verwandeln.«
    Ruby zieht skeptisch ihre Augenbrauen nach oben. »Sicher?«
    Natürlich!
    Tante Grace ist Tante Grace. Handfest, zupackend und groß herzig. Dennoch hat sie in gewisser Weise auch etwas Unergründ liches an sich. Ich bin überzeugt, sie erzählt nur das, was sie auch wirklich erzählen will. So wie ich. Und das ist möglichweise nicht alles, was sie tatsächlich weiß.
    »Es spielt keine Rolle, Ruby«, sage ich und hebe mich auf den Sattel. »Es ist Tante Gracies gutes Recht, ein kleines Geheimnis zu haben.«
    Es wird den Lauf der Dinge nicht ändern, und es wird Gordy, Cyril und mich nicht davon abhalten zu tun, was wir als unsere Lebensaufgabe begreifen: den Menschen unsere wahre Gestalt zu offenbaren, ihnen zu beweisen, dass wir keine Gefahr für sie sind, und ihnen zu zeigen, wie wichtig es ist, die Ozeane mit allem, was darin lebt, zu erhalten.
    Das Meer hat mich mit der Nase darauf gestoßen, aber letztend lich habe ich diese Aufgabe selbst gewählt.
    Und dafür könnte ich dich immer und immer wieder küssen, flüstert Gordian, der sich in diesem Moment hinter mich auf den Ge päckträger schwingt, zärtlich an meinem Ohr.

Alle, die meine Geschichte bis hierher verfolgt haben, wissen nun, dass Gordy, Cyril, Ruby und ich unseren Platz im Leben gefunden haben – was man leider nicht von allen Menschen und Nixen sagen kann, die unsere Wege kreuzten und mehr oder weniger großen Einfluss auf den Verlauf des Geschehens hatten.
    Vielleicht fragt sich

Weitere Kostenlose Bücher