Meg Finn und die Liste der vier Wünsche
Fußes zu, wie Lowries Erinnerungen es ihr gezeigt hatten. Der Ball eierte, hüpfte hoch und rollte etwa einen Meter weit.
Murt lachte so sehr, dass er sich fast den Kiefer ausrenkte. »O nein«, japste er. »Hören Sie auf! Noch so eine Nummer verkrafte ich nicht.«
»Der Ball ist aber hart«, stöhnte Meg und massierte Lowries altersverkrümmten Zeh. »Ich habe bisher nur mit den leichten Plastikdingern gespielt, die sie an den Tankstellen verschenken.«
Murt klatschte sich vor Heiterkeit in die Hände. »Sind Sie sicher, dass Sie nicht bei den Wilden Pudeln waren?«
»Ha, ha. Sehr komisch.«
»Ich glaube, hier in der Nähe ist ein Pfadfinderinnenheim. Soll ich rüberlaufen und ein paar von den jungen Damen bitten, Ihnen zu zeigen, wie man einen Ball schießt?«
Lowrie stöhnte innerlich. »Er hat Recht. Du schießt wie ein …«
»Wie ein was?«
»Na ja, du weißt schon. Wie ein …«
»Wie ein Mädchen ? Meinen Sie das?«
»Nun ja …«
»Ich bin ein Mädchen«, brüllte Meg. »Ich bin ein Mädchen, verstanden? Was haben Sie denn erwartet?«
Natürlich bekam der arme Murt, der eigentlich ein anständiger Kerl war, sofort ein schlechtes Gewissen.
»Sie sind kein Mädchen. Das war doch nur ein Scherz. Nur zu, versuchen Sie es noch mal.«
So schnell war Meg aber nicht bereit einzulenken. Sie fand, sie hatte das Recht, erst einmal ordentlich zu schmollen und zu meckern. »Sie dämlicher alter Trottel, mit Ihrer Liste und Ihrem Gebettel von wegen ›hilf mir mein Leben geradezubiegen‹. Ich tu ja mein Bestes. Ich hab dafür gesorgt, dass Sie Ihren Kuss bekommen haben, schon vergessen? Fast wär ich dabei draufgegangen, oder so was Ähnliches. Und was ist der Dank?
Genörgel. ›Du schießt wie ein Mädchen.‹ Wenn’s nach mir ginge, würde ich am liebsten direkt im Tunnel verschwinden.«
»Ach, verschwinden Sie nicht im Tunnel«, sagte Murt beschwichtigend. »Versuchen Sie’s doch noch mal.«
»Warum sollte ich?«, fragte Meg und zog, ihre Rolle ignorierend, einen Schmollmund. »Warum sollte ich mich für einen undankbaren alten Knacker ins Zeug legen?«
Murt baute sich zu voller Größe auf. »Weil dieser alte Knacker Ihr bester Freund ist. Tun Sie es für ihn und für das junge Mädchen. Sie könnte ein Vorbild gebrauchen.«
Obwohl er keine Ahnung hatte, was los war, traf Murt erstaunlicherweise den Nagel auf den Kopf.
Wortlos schnappte Meg sich den Ball und legte ihn zurück auf den Elfmeterpunkt.
Irgendwo aus den Schatten erklang flüsternd Lowries Stimme. »Danke.«
»Heben Sie sich Ihren Dank noch auf«, erwiderte Meg und machte acht Riesenschritte rückwärts. »Das Ding ist der reinste Felsblock.«
Da kam Murt mit baumelndem Funkgerät von der Seitenlinie herbeigetrabt. »Ich hab ’nen Tipp für Sie.«
»Oh, toll«, sagte Meg. Was so viel bedeutete wie: Zieh Leine.
»Immer wenn ich einen Ball weit schießen musste«, fuhr Murt fort, ohne die Woge der Feindseligkeit zu bemerken, die ihm entgegenschlug, »habe ich mir vorgestellt, dass es der Kopf von jemandem war, den ich nicht leiden konnte.«
Meg erstarrte. Das war wirklich ein guter Tipp. Mach aus dem Ball einen Kopf. Und sie wusste auch schon, welchen.
Sie stellte sich schussbereit hin. Der Ball war nicht länger eine unschuldige Lederkugel, sondern Francos Kopf. Und er sprach mit ihr. »Das ist jetzt mein Haus, Fräulein, und von nun
an ist Schluss mit der verwöhnten kleinen Prinzessin. Du tust, was ich sage und wenn ich es sage …«
»Ach ja?«, sagte Meg und begann zu laufen.
»Dein früheres Leben kannst du abhaken. Ich bin nicht dein Hausmädchen. Ich werd nicht hinter dir herrennen und deine schmutzige Wäsche aufsammeln. Die Zeiten sind vorbei, Fräulein, und zwar endgültig. Und deine Mami wird nicht zurückkommen, um dich zu retten. Denn deine geliebte Mami ist …«
»Schnauze!«, knurrte Meg und trat mit einer Wucht gegen den Ball, wie sie noch nie in ihrem Leben – oder danach – etwas getreten hatte.
Francos Kopf schoss durch die Luft, geradewegs zwischen den Torpfosten hindurch und in das Netz dahinter. Dann war es nur noch ein Ball, der zu Boden hüpfte.
Murt war völlig verblüfft. »Ich nehme alles zurück«, stieß er hervor. »Die Pfadfindermädels könnten Ihnen wirklich nichts mehr beibringen. Das war ein Wahnsinnsschuss. So was hab ich seit … ach was, überhaupt noch nie gesehen. Menschenskind, ich hab gedacht, der reißt ’n Loch ins Netz!«
Lowrie tanzte vor Freude in seinem Kopf auf und
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