Mehr als ein Sommer
geschafft hatte.
Der Wachmann schlug sich den Arm vors Gesicht, als die Asche hoch- und an ihm vorüberwirbelte. Er fiel auf die Knie, und seine Brust ging schwer auf und nieder. Constance wandte sich um und kniete sich neben ihn. Ein Taschentuch erblühte in ihrer Hand wie eine Blume. Sie wischte damit über die Kleidung des Mannes, dann half sie ihm, sich hinzusetzen. So hingen die beiden zehn Minuten auf dem Felsblock herum, wobei Constance die ganze Zeit in Bewegung war, weil sie redete. Ihre Hände flatterten auf eine Weise, die Trevor bereits zu vertraut war. Endlich begannen die zwei mit ihrem Abstieg.
Trevor gab dem Amerikaner das Fernglas zurück, der es ihm mit einem Blick der Verachtung aus den Händen riss und dann davonstolzierte, die Gattin im Schlepptau. Eine Stunde später sprang Constance von der letzten Stufe auf den Boden. Trevor sah sich ihr Gesicht genau an und war erleichtert, dass sie lediglich müde wirkte. Unter ihren Füßen knirschten die Bröckchen zerbrochenen Kalksteins, und sie stolperte. Ihr Gesicht war bleich, doch lächelte sie dem schweigenden Publikum zu, das sie erwartete.
»Es ist eine alte Dame«, raunte eine Frau.
Trevor ging auf Constance zu. Er wollte ihr gratulieren, und dann würden sie sich auf den Weg machen können. Doch bevor er zu ihr gelangte, griffen zwei Beamte nach ihren Armen und führten sie ab.
»Warten Sie!«, rief Trevor, aber sie schenkten ihm keinerlei Beachtung. Verdammt noch mal. Er folgte ihnen über das Gelände zu einer flachen Hütte aus Beton mit Metalldach und sah dann ungläubig dabei zu, wie Constance und die Männer darin verschwanden.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Er warf die Sonnenblumentasche auf den Boden und trat dreimal mit den Füßen danach, dann hob er sie aus dem Dreck und lief zum wartenden Taxi.
8
Trevor saß mit lang ausgestreckten Beinen im Sand, den Rücken an die Wand dessen gelehnt, was er in der Zwischenzeit den Wachraum getauft hatte. Da sie keine Fenster und ein Wellblechdach hatte, verströmte die aus Schlackenbeton gebaute Hütte Hitze wie ein Pizzaofen. Im Verlauf der letzten paar Stunden war die Sonne zentimeterweise aus dem Zenit gewandert, sodass sich inzwischen entlang der staubigen Wand ein schmales Band aus Schatten gebildet hatte, das ihm einen gewissen Schutz bot. Auf der anderen Seite der drei versandeten Treppenstufen faulenzte ein bewaffneter Wachmann vor der gleichen Wand und tat so, als sei Trevor überhaupt nicht da — zumindest, solange der nicht versuchte, das Gebäude zu betreten. Trevor hatte den Mann »G.I. Joe« getauft nach den Spielsoldaten, die Brent nach Hause geschmuggelt hatte, ohne dass ihre Vormunde etwas davon mitbekamen. An Samstagnachmittagen verwandelten die beiden Jungen das leere Grundstück neben dem Haus in Regina in ein Kriegsgebiet mit Schützengräben und Bunkern für ihre bewegungsunfähige und unzureichend große Armee.
»Weißt du, Joe«, sagte Trevor, »ich könnte ein Bier vertragen. Wie steht es mit dir? Eiskalt, frisch aus dem Kühlschrank. Ich habe eine Vorliebe für helles Bier. Gibt es hier in Ägypten helles Bier?«
Joe antwortete nicht. Er saß in buckliger Haltung an der Wand, der Kolben seines Gewehrs ruhte im Dreck. Gelegentlich zog er ein Päckchen türkischer Zigaretten aus seiner Brusttasche. In den letzten zwei Stunden hatte sich zwischen den beiden Männern eine angenehme Koexistenz entwickelt. Trevor fand ihre einseitige Konversation hilfreich, um sich die Zeit zu vertreiben.
»Kennst du den von dem Mann, der mit einem Pinguin den Zoo besuchen will, als sein Truck liegen bleibt?« Trevor bezweifelte, dass Joe überhaupt irgendetwas über Pinguine wusste, doch was machte das schon, der Knabe sprach ja auch kein Wort Englisch. »Naja, ein anderer Mann fährt vorbei und sieht den Mann und den Pinguin. Also...«
Die Tür ging auf. Joe ließ seine Zigarette fallen, sprang auf und nahm Habachtstellung ein. Trevor wand sich aus dem Staub auf die Füße. Ein großer, dünner Mann mit Schnurrbart rannte die Treppe hinunter, seine Stiefel klapperten auf jeder Stufe. Als Trevor versuchte, ihm um die Ecke des Gebäudes herum zu folgen, griff Joe nach seinem Arm.
»Was tut ihr der Frau da drinnen an?«, brüllte Trevor.
Minuten später kehrte der Mann zurück und balancierte dabei ein Tablett auf den Händen, auf dem eine Teekanne und eine Teetasse aus Porzellan standen und ein Keramikschälchen mit honigfarbenen Vierecken. Klappernd eilte er die
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