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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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Windes. In der Ferne graste eine Herde von Bisons. Gänseblümchen wiegten ihre Köpfe in der Brise, und Teppiche aus Flachs und Bartfaden rollten sich über das weite Land. Er lief bergauf, die Böschung eines Hügels mit runder Kuppe empor. Auf der Spitze lenkte ein rot und tiefgrau gefärbtes Steingebilde seinen Blick in das kobaltblaue Himmelszelt, in dem Wolken, die aussahen wie Wattebäusche, über seinem Kopf kreisten. Am Außenrand des Hügels arbeitete sich ein Elefant auf ihn zu; die schweren Füße ließen Wogen von Staub in die Luft stieben. Eine Frau saß rittlings auf dem Rücken des Tieres. Constance. Sie winkte und rief nach ihm. Der Elefant schlang seinen Rüssel um Trevors Lenden, schwang ihn empor und platzierte ihn hinter Constance. Trevor blickte in die Tiefe. Er befand sich nicht mehr nur eine Elefantenhöhe über dem Erdboden, sondern so hoch wie hundert Elefanten, und die Prärie erstreckte sich unter ihnen wie eine Landkarte. Sie hatte die Umrisse einer nackten Frauengestalt: die Erde unter den riesigen Füßen des gigantischen Tieres die glatte Haut ihres Oberkörpers, und der Hügel sah aus wie eine pralle Brust. Als Constance ihm das Gesicht zuwandte, wurde sie seine Mutter, und dann war sie plötzlich nicht mehr seine Mutter, sondern Angela, deren farbloses Haar hinter ihr durch den kohlschwarzen Himmel wogte.
    » Trevor.« Angela beugte sich über ihn, berührte mit der Hand seinen Arm. Der Elefant verschwand, und Trevor stellte fest, dass er zusammengerollt in einem Bett lag, das ihm nicht vertraut war, in einem Zimmer, das erhellt wurde vom schwachen Licht des Morgengrauens.
    »Zeit aufzustehen, Schlafmütze«, flüsterte sie. »Frühstück steht auf dem Tisch.«
    Der Duft von Speck und Kaffee, das Klappern von Tellern, eine Stimme aus dem Radio und das schabende Geräusch eines Stuhlbeins wehten die Treppen hinauf in sein Zimmer. Er schüttelte den Kopf, um ihn von den letzten Resten des Traums zu befreien. Wieder so ein verdammter Traum. Der dritte, vierte? Er konnte sie schon gar nicht mehr zählen.
    »Man könnte meinen, ich hätte dich aus dem Tiefschlaf gerissen. Wir wollen Bo nicht warten lassen«, sagte Angela, flocht ihr Haar zu einem Zopf und verließ dabei den Raum. »Wir treffen uns unten. Du wirst ein gutes Frühstück brauchen.«

    Trevor zwängte seine in Handschuhen steckenden Hände unter die parallel verlaufenden Schnüre und hievte den achtzig Pfund schweren Heuballen von den Gabeln des Hubstaplers. Er hielt ihn mit Hilfe seines Knies im Gleichgewicht, wie Angela es ihm gezeigt hatte, und hob ihn dann auf den Stapel auf der Ladefläche des Lasters. Neben ihm wartete Luke, Bjornes ältester Sohn, ein muskulöser, blonder Teenager mit rundem Schädel und sommersprossigem Gesicht, auf den zweiten Ballen. Angela fuhr den Gabelstapler, ihr Gesicht unter der Baseballkappe aus Jeansstoff war ganz rot von der Hitze, und die Bluse hatte sie sich bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Hatten Trevor und Luke die Heuballen von den Gabeln gehoben, schwenkte sie das Lenkrad und manövrierte den Stapler zum nächsten Ballen, in der Reihe. Auf der Mitte des Feldes lenkte Bjorne die Ballenpresse an den Reihen getrockneter Luzerne entlang. Die Maschine raffte die Ernte zusammen, brachte sie in Form, schnitt und verschnürte sie und ließ den ordentlichen Ziegel dann auf der Rückseite zu Boden fallen. Axel fuhr den Laster und sprang alle paar Minuten heraus, um Anweisungen zu geben, wie die Ballen gestapelt werden mussten. »Wir dürfen auf der Straße keine Ladung verlieren«, sagte er.
    Trevor schob die Baseballkappe zurück, die er sich geliehen hatte, und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Der Tag hatte um sechs kühl begonnen, aber jetzt, zur Mittagszeit, brannte die Sonne unerbittlich auf sie herunter. Seine Schultern schmerzten, und trotz der Handschuhe, die Bjorne ihm am Morgen zugeworfen hatte, bildeten sich an jedem seiner Finger dicke Blasen. Das Frühstück lag ihm wie ein Klotz im Magen; Helen hatte Schinken und Eier in ihn hineingestopft, Toast, Marmelade und Kaffee, gefolgt von Pfannkuchen mit Ahornsirup, an denen Herkules seine helle Freude gehabt hätte. Er hatte auf die Butterbrote zum Morgentee verzichtet, die Bjornes Ehefrau Nancy auf dem Motorrad angeliefert hatte, wusste aber, dass auf die gleiche Weise in wenigen Minuten das Mittagessen eintreffen würde, und obwohl er keinen Hunger hatte, war er dankbar für die Ruhepause.
    Bjorne, Angelas

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