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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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— seit Langem eingetrocknet — stand auf der Kommode. Im Wohnzimmer drehte er eines der verstaubten Kissen auf dem Sofa um, setzte sich hin und nahm den Readers Digest vom Couchtisch. September 1981, Besser leben durch eine bessere Ernährung. Vor dem verdreckten Panoramafenster ragten die Rocky Mountains empor, majestätisch, schneebedeckt und näher, als er es sich vorgestellt hatte. Er dachte an die Besitzer in ihrer Jugend, ein junges, verheiratetes Paar, das ganz am Anfang stand, das Haus so errichtete, das es die beste Aussicht bot, nicht ahnend, welch tragisches Ende ihr Märchen nehmen sollte. Sie hatten wahrscheinlich die Namen sämtlicher Bergspitzen am Horizont gekannt. Diesen Besitz wieder in eine Farm zu verwandeln, würde viel Arbeit bedeuten, doch würde ihn die zumindest ablenken von den Trümmern seines Lebens. Er konnte einer Gemeindegruppe beitreten, lernen, wie man Squaredance tanzte, Farmerstöchter kennenlernen. Oder aber er wurde zu einem dieser exzentrischen, alten Käuze, die ganz allein lebten und Eindringlinge mit einem Gewehr davonjagten.
    »Was tust du hier?«
    Trevor blickte auf und erschrak. Angela stand im Türrahmen zwischen Wohnzimmer und Küche. Warum hatte er die Tür nicht quietschen hören oder die Geräusche ihrer Schritte auf dem knarrenden Linoleum?
    »Das Gleiche sollte ich dich fragen«, erwiderte er. »Wo kommst du plötzlich her?«
    »Ich bin dir nachgefahren.« Ihr Haar war hochgesteckt, und sie trug Bürokleidung: eine knielange schwarze Jacke, dunkelblaue Wollhosen. Die Aufschläge ihrer Hosen und ihre Stiefel waren voller Schnee. Ihr Anblick bereitete Trevor körperliche Schmerzen.
    »Mir nachgefahren?« Er hatte Mühe, Worte zu ganzen Sätzen zusammenzufügen. »Warum?«
    »Ich war auf dem Weg zu deiner Wohnung und sah dich wegfahren«, erwiderte sie.
    »Ich hätte zur Arbeit fahren können«, stammelte er.
    »Nein, das konnte nicht sein.« Sie nahm ihn genau in Augenschein. »Ich habe bei dir im Büro angerufen. Sie sagten, du würdest nicht mehr bei ihnen arbeiten.«
    »Na ja«, murmelte er, »ich habe gekündigt.«
    »Das erklärt, warum du dich bei minus dreißig Grad in einem alten, verfallenen Farmhaus herumtreibst.«
    »Ich erwäge, äh... es zu kaufen«, gestand er. Er wusste, dass es nichts brachte, sie anzulügen, da sie der Wahrheit sowieso schon auf den Fersen war.
    Angela lief über den Boden. Ihre Stiefel klapperten auf den breiten, abgenutzten Holzdielen. Sie hinterließ Fußspuren aus Schnee. Die ganze Zeit beobachtete sie sein Gesicht. Sie setzte sich ihm gegenüber in einen gepolsterten Sessel und nahm die Staubwolken um sie her gar nicht zur Kenntnis. »Das hier? Das willst du kaufen?«
    »Ich erwäge es. Im Grunde bin ich mir ziemlich sicher, dass ich es tun werde.« Mit scheinbarem Selbstvertrauen schlug er die Beine übereinander. »Ich habe genug von der Stadt.« Er wünschte, Angela würde aufhören, ihn wie eine Rechtsanwältin anzusehen.
    »Für dich allein?«
    »Was wolltest du bei meiner Wohnung?« Er konnte auch Kreuzverhör spielen — er hatte sich jeden Mittwochabend mit Tante Gladys Perry Mason angesehen, das einzige Vergnügen, das sie geteilt hatten. »Mitten an einem Arbeitstag. Und hey, du solltest doch in Swede Lake sein. Ich dachte, du wolltest dich freistellen lassen.«
    »Ich habe einen schwierigen Mandanten, der auf Rechtshilfe angewiesen ist. Er besteht darauf, von mir vertreten zu werden.«
    »Was hat das mit mir zu tun?«
    »Überhaupt nichts. Ich dachte nur, dass dich das hier vielleicht interessieren würde.« Angela zog einen Umschlag aus der Anoraktasche und schlug ihn gegen ihre Schenkel. »Wer ist Constance?«
    »Was?«
    »Constance, wer ist die Frau?«, fragte Angela noch einmal. Draußen wurde der Wind stärker. Die losen Ziegel klapperten auf dem Dach.
    »Eine Freundin.« Trevor versuchte sich zu erinnern, er war sicher, Angela von Constance erzählt zu haben. »Ich habe sie dir gegenüber erwähnt. Sie ist diese alte Dame, der ich in Frankfurt begegnet bin.«
    »Ich erinnere mich. Aber wer ist sie?«
    »Eine Freundin.«
    »Das sagtest du bereits. Warum würde sie mir einen Brief schreiben?«
    »Constance hat dir geschrieben?« Trevor verschluckte sich, als er diese Neuigkeit vernahm. Er hatte seit Ende September nichts von der alten Frau gehört. Ihr Telefon in Sooke war abgemeldet. »Wann?«
    »Vergangene Woche. Der Brief ist vom 12. Dezember.«
    »Aber wie ist sie an deine Adresse herangekommen?«
    »Gute

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