Mehr als ein Sommer
und Trevor blickte auf und sah den Traktor, der jetzt ein Löwe war mit einer gewaltigen Mähne und mit einem Schwanz, der sich zornig hin- und herbewegte. Das Tier hatte es auf ihn abgesehen und fletschte die Zähne. Er drehte sich um und rannte auf dem gleichen Weg zurück, auf dem er gekommen war, aber die dicht beieinanderstehenden Krieger hinderten ihn am Vorwärtskommen. Die Pranken des Löwen machten hinter ihm im Gras schabende Geräusche.
Trevor lag auf dem Rücken, während Michael und die Krieger Fett und Ocker in seine Haut rieben.
»Ein Jammer, dass er tot ist«, sagte Michael. »Constance hat gesagt, er könnte uns helfen.« Die anderen Krieger wehklagten vor Trauer.
Trevor schrie laut auf: »Ich bin nicht tot!«, doch konnten sie ihn nicht hören. Sechs Krieger trugen seinen Körper zu dem Affenbrotbaum und ließen ihn an seinem massigen Stamm zurück, das Grunzen der Löwen und das Kreischen der Hyäne kamen ganz aus der Nähe.
Ein schwarzer Schakal pirschte mit gespitzten Ohren an der Außenseite des Baums entlang. Die nasse Zunge hing dem Tier seitlich aus dem Mund heraus. Trevor versuchte, sich aufzusetzen und davonzurennen, aber er konnte sich nicht rühren. Das Gras um ihn her war übersät von Traktorteilen. Der Schakal schlich um den Baum herum und stach mit seiner spitzen Nase gegen Trevors Rippen. Das Tier erhob sich auf die Hinterläufe; sein Körper streckte und verdrehte sich auf groteske Weise, bis er kein Tier mehr war, sondern ein Mann mit dem Kopf eines Schakals und mit Augen, die aussahen wie leblose goldene Kugeln in seinem Gesicht aus Ebenholz.
Trevor wachte schwitzend und zitternd auf. Er torkelte ins Bad und pinkelte, dann lief er unruhig durch seine Wohnung und versuchte, das Bild des Mannes mit dem Schakalkopf aus seinem Gedächtnis zu vertreiben. Er durchforstete seinen Schreibtisch, bis er ein Programmheft fand, das er aus dem Ägyptischen Museum in Kairo mitgebracht und aufgehoben hatte. Als er durch die Seiten blätterte, fand er, wonach er suchte — Anubis, den Gott der Unterwelt mit dem Hundekopf. Er las die Beschreibung, dann goss er sich einen doppelten Scotch ein. Das Wesen stammte aus der Mythologie, war eine Figur in einer Geschichte. Nichts Reales. Er hatte lediglich einen Traum gehabt. Er schaltete den Fernsehapparat ein und sah sich das Ende eines Spielfilms an, eine Komödie, und als er wieder ins Bett ging und ganz allmählich einschlief, fühlte er sich wieder besser.
Doch Anubis erwartete ihn in der Mitte einer feuchten, schwach beleuchteten Höhle, in der es nach Schimmel und Verwesung roch. Trevor presste sich gegen die Wand unter einer Fackel, die in einem Wandhalter steckte. Die schwache Flamme war das einzige Licht an diesem Ort. Trevor, der Jeans trug und ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift Calgary Flames, zitterte vor Kälte und Furcht. Mit seinen glühenden Augen nahm Anubis ihn ins Visier, und Trevor konnte nicht anders als zu wimmern.
»Noch ein Feigling«, sprach Anubis. Er kratzte sich die lange, spitze Schnauze mit dem Zeigefinger der einen Hand und schlug mit der anderen eine Fliege tot. Seine Stimme war tief, und sie klang zutiefst enttäuscht. »Ammit. Schau dir an, wie der angezogen ist. Keine Klasse. Was ist nur aus den guten, alten Zeiten geworden, da sie aufgebahrt und ordentlich in Leinen gewickelt hier ankamen?«
Ammit schlurfte aus den Schatten ins Licht, ein dreigeteiltes Wesen, eine Mischung aus Löwe, Nilpferd und Krokodil. Die Göttin sabberte und leckte sich die Lippen. Der unerträgliche Gestank schnürte Trevor die Kehle zu.
»Sei unbesorgt«, sprach Anubis zu Trevor. »Sie ist eine, die mehr bellt als beißt.« Dann lachte er, hob das Maul und stieß einen gespenstischen Heulton aus.
Anubis und Ammit nickten einander zu und schauten dann beide auf. Trevor folgte ihren starren Blicken.
Eine schneeweiße Feder fiel aus dem Zelt der Schwärze hinab und schwebte durch Spalten aus Licht und Schatten. Die Feder drehte und wand sich, und ihre geschwungenen Ränder schimmerten.
Ohne den leisesten Laut legte sie sich auf eine gewölbte Schale, die an feinen Goldketten hing. Die Schale senkte sich um eine Haarbreite, und Anubis stieß einen tiefen Seufzer aus. »So empfindlich eingestellt«, erklärte er. »Nur die feinsten Instrumente für diese schwerwiegende Arbeit.«
Von der Platte eines Steintisches, der neben der Waage stand, schaufelte Anubis eine bebende Masse aus Fleisch herunter und hielt sie mit beiden
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