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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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entschuldigen Sie bitte die Störung«, sage ich.
    »Aber das macht doch nichts. Komm doch rein, ich mache dir einen Tee. Du siehst aus, als könntest du einen brauchen.«
    Das hätte Gran auch gesagt. Auf dem Weg in die Küche merke ich, dass mir schon wieder die Tränen kommen. Was ist bloß mit mir los? Ich beiße mir fest auf die Lippe, aber als ich an dem großen Tisch sitze, bringe ich kein Wort heraus.
    Zum Glück scheint Ellies Mutter keine großartige Unterhaltung von mir zu erwarten. Sie stellt mir einen Becher Tee hin und macht mir ein Sandwich mit kaltem Hühnchen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt etwas gegessen habe, und verputze das Sandwich ruckzuck. Ellies Mutter legt gleich noch ein Stück Obstkuchen nach.
    Dann setzt sie sich zu mir. »Na siehst du. Schön, wenn jemand mit solchem Appetit isst.« Sie tätschelt mir die Hand: »Du brauchst mir nicht zu antworten, Joe   – aber ist alles in Ordnung? Du kommst mir irgendwie verstört vor.«
    Ich schüttele den Kopf. Nein, es ist nicht alles in Ordnung. Gar nichts ist in Ordnung. Aber wo soll ich anfangen?
    »Meine Oma ist im Krankenhaus. Sie wurde zusammengeschlagen. Sie liegt auf der Intensivstation. Aber ich darf sie nicht besuchen und weiß nicht, was los ist.«
    |175| »Aber du darfst doch bestimmt mit deiner Mutter zu ihr, Joe. Vielleicht nächste Woche, dann sind sowieso Ferien.«
    »Ich glaub nicht, dass die mich zu ihr lassen«, sage ich resigniert.
    »Die?«
    »Äh   … die Ärzte. Die Schwestern. Was weiß ich.«
    »Bestimmt wissen die Ärzte sehr gut, was sie tun. Auf der Intensivstation sind Besucher im Allgemeinen nicht so gern gesehen. Aber das kann nächste Woche schon ganz anders sein.«
    »Vielleicht. Außerdem glaube ich, dass mich die Schulleitung nicht weiter mit Ellie trainieren lässt.«
    Sie lacht. »Die sollen mal versuchen, Ellie davon abzuhalten, mit dir zu arbeiten!«, und schon fühle ich mich besser. Dann fragt sie: »Wie sollte die Schulleitung denn darauf kommen? Ich dachte, alle freuen sich über deine Erfolge.«
    »Weil ich in der Schwimmhalle einem anderen Schüler ins Gesicht geschlagen habe. Mr Henderson hat gesagt, ich hätte ihn umbringen können. Vielleicht werde ich sogar ganz rausgeschmissen.«
    »Aber warum hast du den Jungen denn geschlagen?« Sie klingt absolut sachlich.
    »Er und seine Freunde haben versucht, mich zu ertränken   … so kam es mir jedenfalls vor   … außerdem hat er mich heute früh getreten.«
    »Getreten?«
    »In die Rippen.«
    |176| »Darf ich mal sehen? Ich bin Krankenschwester, ich arbeite drei Nachtschichten die Woche oben im Krankenhaus.«
    Vorsichtig hebe ich mein Hemd hoch und zeige ihr die beiden fetten Blutergüsse. Sie legt die Hand auf den einen und ich zucke zurück. »Au!« Inzwischen tut es irre weh. Es ist mir total peinlich, dass mir schon wieder die Tränen übers Gesicht laufen. Sie reicht mir taktvoll ein Papiertaschentuch.
    »Damit musst du in die Notaufnahme, Joe, die sollen sich das genauer ansehen. Womöglich ist was gebrochen.«
    »Aber da können die auch nichts machen, oder?« Wenn ich stattdessen einfach eine Aspirin nehme, brauche ich dort nicht meine Zeit vertrödeln.
    »Ich rufe Michelle an. Ihr habt kein Auto, oder? Ich kann euch zwei rasch hinfahren.«
    »Mum ist nicht da. Sie ist nach London zu meiner Gran gefahren.«
    »Und wer kümmert sich um dich?«
    Ich zucke die Achseln und sie gibt mir noch ein Taschentuch.
    »Sie hat dich doch nicht allein hiergelassen, oder?«
    »Nein, eine Freundin von ihr kümmert sich um mich. Sie heißt Maureen.«
    »Gut. Dann sag Maureen, sie soll mit dir unbedingt in die Notaufnahme fahren, damit das geröntgt wird. Nimm das bitte ernst, Joe! Eine gebrochene Rippe kann sich in die Lunge bohren, man kann daran sterben. Zumindest wäre damit deine Karriere als Sportler beendet.«
    |177| »Oh.«
    »Und wenn du dir tatsächlich eine Rippe gebrochen hast, finde ich schon, dass der Schulleiter davon erfahren sollte. Es soll schließlich gerecht zugehen, und es ist doch Unsinn, dich zu bestrafen, wenn der andere Junge einfach damit durchkommt. Ich muss jetzt los, meine Jungs von der Schule abholen. Wenn du willst, kannst du hierbleiben, trink noch einen Tee und hol dir noch Kuchen, und wenn ich wieder da bin, fahre ich dich nach Hause und spreche mit Maureen.«
    Ob das eine gute Idee ist? Sie sieht mir meine Zweifel an. »Glaub’s mir, Joe, bei solchen Sachen kann man nicht vorsichtig genug sein. Du willst doch

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