Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
keinen dauerhaften Lungenschaden, oder?«
    Dann bin ich allein in der Küche und schaue mir die Fotos von Ellie an, die neben ihren Pokalen im Regal stehen. Ellie sieht darauf glücklich und zielstrebig aus. Ob sie wohl noch eine andere Seite hat, die voller Wut darüber ist, was ihr das Leben angetan hat? Ob ich heimlich einen Blick in ihr Zimmer werfen soll? Nein, das würde aussehen, als wäre ich ein verrückter Stalker. Keine gute Idee.
    Darum schneide ich mir nur noch ein Stück Kuchen ab   – okay, es ist schon mein drittes   –, da höre ich auf einmal, wie jemand erschrocken nach Luft schnappt und dann leise fragt: »Was   … was machst du hier?«
    Es ist Claire. Ich drehe mich um und auf einmal hab ich die Nase voll von ihrem ständigen ängstlichen Gesichtsausdruck, wie ein verschrecktes Kaninchen.
    |178| »Ich esse Kuchen. Und du?«, antworte ich grob und stopfe mir den Mund voll.
    »Nein, ich meine   … was machst du hier in unserer Küche? Und wieso   … wie   … wieso hast du auf einmal grüne Augen?«
    Sie hat’s gemerkt. Verdammt. Kacke. Die blöden Linsen habe ich total vergessen.
    Einen Augenblick lang stehe ich einfach nur da, dann lege ich das Messer hin und gehe auf sie zu. Die Rippen tun mir dermaßen weh, dass mir ein bisschen schwindlig ist, aber ich strecke die Arme aus und packe Claire an den Handgelenken. Sie schaut mich total entsetzt an. Gut.
    Ich beuge mich vor und wechsle in meinen Gangsta-Modus. Bedrohlich. Zornig. Furcht einflößend. »Halt bloß die Klappe, ja? Meine Augen sind niemals grün gewesen, kapiert?«
    Sie ist kurz vorm Heulen. Ich drücke fester zu. »Nein, nein   …«, flüstert sie, »ich sag keinem was.«
    »Nicht Ashley, nicht Lauren und nicht Emily   – keiner von denen, keiner von deinen Freundinnen.«
    Ihr Gesicht kriegt hektische rote Flecken. »Das sind nicht meine Freundinnen. Hast du nicht mitgekriegt, dass deine Freundin nichts mit mir zu tun haben will? Hat sie dir nicht erzählt, dass ich ein beknackter Freak bin?«
    Ich lasse sie los und wende mich ab. »Wer behauptet, dass sie meine Freundin ist?«
    »Sie hat überall rumerzählt, dass du jetzt ihr gehörst.«
    |179| »Ich gehöre niemandem. Wir machen bloß ein bisschen rum.«
    »Egal.«
    »Egal«, wiederhole ich. »Du hältst jedenfalls die Klappe.«
    Sie reibt sich die Handgelenke. Ich muss ihr echt wehgetan haben. Was ist los mit mir?
    »Hast du Carl wirklich eine reingehauen?«, fragt sie.
    »Jepp.«
    »Angeblich muss er operiert werden, plastische Chirurgie und so.«
    »Echt?« Das finde ich ziemlich lustig. Vielleicht wird Carl ja wegen mir die Schweinsvisage umoperiert. Vielleicht sieht er hinterher wie ein Schimpanse aus. Ich muss grinsen.
    Claire sieht mich an wie einen gemeingefährlichen Psychopathen. »Wenn ich niemandem erzähle, dass du grüne Augen hast«, sagt sie mit zittriger Stimme, »erzählst du dann auch Ashley nichts davon, dass wir miteinander geredet haben?«
    Nicht schon wieder. »Was hast du eigentlich für ein Problem? Die meisten Leute reden ganz gern mit mir.«
    »Ashley findet es nicht gut, wenn andere Mädchen mit ihrem Freund reden.«
    Jetzt erinnere ich mich, was Ashley gesagt hat: »Wenn ich einen Jungen haben will, sorge ich dafür, dass niemand in seine Nähe kommt.« Claires zerknitterter Zettel fällt mir wieder ein. Und ich begreife, dass Ashley, auf die ich versessen bin wie ein kleines Kind auf Zuckerwatte, kein netter Mensch ist.
    |180| Trotzdem will ich sie.
    »Keine Sorge, Claire. Wenn du nichts sagst, sage ich auch nichts. Aber behandle mich bitte nicht immer, als ob ich stinke oder so.« Irgendwie komisch, so was zu sagen, wo ich sie eben erst bedrängt und eingeschüchtert habe, darum setze ich hinzu: »Gerade jetzt könnte ich ein paar Freunde gut gebrauchen.«
    Sie lächelt unsicher. »Ach, jetzt, wo du Carl die Nase eingeschlagen hast, dürftest du dir viele Freunde gemacht haben. Er hat immer auf den Siebtklässlern rumgehackt   – heute beim Mittagessen haben sie im Chor deinen Namen gesungen. Und Max organisiert gerade eine Unterschriftenliste, die er dem Direktor überreichen will, damit du nicht bestraft wirst.«
    Na toll. Jetzt bin ich schon der Anführer eines Volksaufstandes. Freitag gibt es wahrscheinlich eine Meuterei in der Mensa und anschließend werden in der Bibliothek die Bücher verbrannt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir das beim Direktor große Sympathien einbringt   … Und ich möchte gar nicht wissen, was los

Weitere Kostenlose Bücher